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Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Titel: Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Pilastro
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einer Szene gewesen, die so unbeschreiblich
war, dass er sie niemals hätte in Worte fassen können. Min-Tao war
unwahrscheinlich schön gewesen, obwohl sie große Schmerzen gehabt haben musste.
Doch dann schien sie ihn entdeckt zu haben und von diesem Augenblick spürte Bao
eine Veränderung in ihr. Sie hatte sich aufgerichtet und sich ihm zugewandt. Er
konnte ihre Brüste sehen, wie sie abstanden, dahinter den prallen Bauch.
Irgendwann war etwas zwischen ihren Beinen herausgekommen und in die Arme der
anderen Frau geglitten. Diese hatte das kleine Bündel auf Min-Tao gelegt und
dann hatte er den großartigsten Anblick seines bisherigen Lebens gehabt: seine
Frau mit seinem Sohn auf der Brust.
    Er spürte Min-Taos warmen Blick auf sich gerichtet
und hörte sie sagen: „Ich liebe dich!“
    „Ich liebe dich auch“, schickte er in ihre
Richtung und dann verschwand das Bild.
    Nun saß er wieder am Feuer inmitten seiner Männer,
die gerade zu einem Freudengeheul ansetzten.
    „Als wäre es ihm zu Ehren“, freute sich Bao leise
für sich, obwohl er natürlich wusste, dass man sich um ihn herum wegen der
ausgelassenen Tänze und der Feier freute. „Mein Sohn ist der größte Reichtum,
den das Leben mir schenken kann. Nenne ihn Shao“, schickte Bao als letztes in
die Nacht, dann tanzte auch er.
     
    ***
     
    „Wie soll er heißen?“, fragte Lian.
    Ich konnte den Blick nicht von meinem Sohn abwenden.
Lian hatte die Nabelschnur an zwei Stellen mit abgekochten Rosshaaren
abgebunden und in der Mitte durchtrennt. Dann hatte sie den Kleinen vorsichtig
vom Blut gereinigt und die gelbe Schmiere in seine Haut einmassiert. Nun lag
der kleine Mann an meiner Brust und hatte gerade sein erstes Mahl zu sich
genommen. Das Saugen des Neugeborenen hatte sich merkwürdig und doch so normal
angefühlt!
    „Ich nenne ihn Shao!“, beschloss ich
überglücklich.
    Der kleine Shao rülpste, als wollte er dem
zustimmen.

25 
  VERLOREN IM SCHNEEGESTÖBER
     
     
    Nahe Qin, 1076
     
    Die ersten beiden Tage mit dem Neugeborenen waren
die schönsten für mich. Zwar vermisste ich Bao nach wie vor, doch ich hatte das
Gefühl, Shao wäre ein Bindeglied zwischen uns und ich fühlte mich nicht mehr so
einsam.
    Lian hatte sich rührend um mich gekümmert und
zügig nach der Geburt meinen Bauch geknetet, damit die Blutungen schneller
aufhörten.
    „Lasst Euer Kind nur so oft wie möglich trinken, davon
heilt Euer Körper schneller“, riet sie mir und ich fühlte mich tatsächlich mit
jedem Tag kräftiger. Die Bindung zu meinem Sohn wurde immer stärker und ich
hatte vergessen, dass ich mich bald von ihm würde trennen müssen. Hier und
jetzt war ich eins mit dem Universum und glaubte, der glücklichste Mensch der
Welt zu sein.
     
    Als ich am fünften Morgen erwachte, war es still
in der Hütte. Lian war fortgegangen ohne etwas zu sagen und ich stand auf, um
mich alleine um Shao zu kümmern. Doch der Korb, in dem der kleine Junge die
ersten Nächte seines Lebens verbracht hatte, war leer. Mein Herz klopfte mir
bis zum Hals. Wo waren die beiden? Hatte sie ihn hinaus gebracht? Wozu? Es war kalt!
Der Kleine konnte krank werden!
    Verärgert lief ich zur Tür. Das Gehen war noch
etwas beschwerlich, aber ansonsten fühlte ich mich wieder gut. Ich riss die
Türe auf und sah Fußspuren vom Haus wegführen.
     
    Die plötzliche Erkenntnis traf mich wie ein schwerer
Hieb in den Magen. Wie von einem Schlag getroffen, glitt ich zu Boden und
stammelte immer wieder „Nein, oh nein“ vor mich hin. „Sie hat ihn mitgenommen!“
    Knirschen von Schritten im Schnee war zu hören und
ich sprang auf.
    Alles war gut.
    Lian kam zurück.
    Bestimmt hatte sie ihre Gründe gehabt, den Kleinen
hinauszunehmen.
    Doch es war nicht Lian. Es war Cheng-Si. Sie war
in Begleitung zweier Pferde.
    „Wo ist mein Sohn?“, schrie ich ihr entgegen.
    „Welcher Sohn? Du hast keinen Sohn!“ Cheng-Si sah
mir distanziert in die Augen.
    „Wie könnt Ihr so etwas sagen? Natürlich habe ich
einen Sohn. Ich habe ihn vor fünf Tagen geboren! Wo ist er?“
    „Er ist in Sicherheit! Mehr brauchst du nicht zu
wissen! – Min-Tao. Komm zur Vernunft! Du wusstest doch, dass es so kommen würde.
Es geht dir nun wieder so weit gut, dass du zurückkehren kannst in den Palast!
Ich habe dir sogar Ning mitgebracht, dass du auf ihr zurückreiten
kannst.“ Sie griff nach meiner Hand.
    Doch ich riss mich los.
    „Wagt es nicht, mich anzufassen! Ihr werdet mir
sagen, wo mein Sohn ist!“ Meine Augen

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