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Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Titel: Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Pilastro
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tanzen. Andere folgten ihm und sie tanzten, um in alter
Weise den Göttern zu danken.
    „Es geht los“, hallte es in Baos Kopf nach und ihm
wurde seltsam schwer. Er starrte in das Feuer. Seine Männer verschwanden für
ihn mehr und mehr im Hintergrund. Sein Geist schien davon zu fliegen. Über die
Berge, unter sich eine Decke von Schnee. Sein Geist flog weiter, bis er eine
Hütte erblickte. Der Sturzflug war schnell und endete genauso abrupt, wie er
begonnen hatte. Und mit einem Mal hatte Bao das Gefühl, vor seiner Frau zu
knien. Sie lag auf dem Rücken und er konnte direkt zwischen ihre Beine sehen.
Über den Bauch hinweg erkannte er ihr Gesicht, welches schmerzverzerrt
schnaufte und ab und an auch schrie.
    „Ich bin hier!“, rief sein Geist und es hatte den
Anschein, als könnte Min-Tao ihn hören.
     
    ***
     
    Erschöpf, aber aufgewühlt hatte ich es mir vor dem
Feuer so bequem wie möglich gemacht. Lian hatte die nassen Kleider zum Waschen
eingeweicht. Ich arbeitete hart an mir, nicht in Panik zu verfallen, doch es
war schwer, die Schreie von Shinlan aus dem Kopf zu bekommen, zumal ich nun
vermehrt das Gefühl hatte, auseinander gerissen zu werden.
    Die Hebamme hatte Wasser zum Kochen gebracht und
viele Tücher neben mich gelegt. Die Schmerzen, die meinen Körper in immer
kürzer werdenden Abständen durchfuhren, schienen immer heftiger zu werden, und
ich war jedes Mal überrascht von ihrer steigenden Intensität.
    „Wie lange dauert es denn noch?“, japste ich
zwischen zwei Schmerzwellen.
    Lian tastete mich ab. „Es kann nicht mehr allzu
lange dauern. Die Öffnung ist schon sehr weit. Versucht, Euch auszuruhen, wenn
Ihr schmerzfrei seid, dann habt Ihr genügend Kraft für das letzte Stück
Arbeit.“
    Die Zeit schien stehen zu bleiben. Immer wieder bekam
ich Schmerzen, die sich wie ein Ring um meine Hüfte zu ziehen schienen und ich
bemerkte auch, dass ich zunehmend müde wurde. Schließlich war ich so erschöpft,
dass ich während der nächsten Welle nicht mehr richtig atmen konnte.
    „Ich kann nicht mehr!“, schrie ich. „Himmel, ich
werde sterben!“
    Lian beruhigte mich. „Ihr werdet leben! Das
verspreche ich Euch! Seid mutig. Es geht gut voran!“
    „Gut voran?“, fauchte ich. „Hast du denn schon ein
Kind, dass du das beurteilen kannst?“
    „Nein, natürlich nicht.“ Lian blieb trotz der
Beleidigung ruhig. „Aber ich versichere Euch, dass es gut gehen wird.“
    Eine Schmerzwelle nach der anderen kam und ging.
Wohl starb ich nicht, aber ich wurde immer erschöpfter. Schließlich, als ich
mit meinen Kräften am Ende zu sein glaubte, hörte ich eine Stimme.
    „Hier bin ich!“
    Es war Bao, den ich hörte.
    Für einen kurzen Augenblick vergaß ich alles um
mich herum und richtete den Blick in die Flammen. War das das Ende? Sah ich
jetzt schon Bilder im Feuer? Da war eindeutig Baos Gesicht zu erkennen und ich
hörte wieder sein „Ich bin hier“.
    Ob Einbildung oder nicht, ich schöpfte daraus mit
einem Mal eine ungeahnte Kraft, richtete mich auf und stützte mich, nach vorne
gebückt, auf meine Hände. Kaum hatte ich die Beine breit gemacht, durchfuhr
mich ein Schmerz, der viel intensiver war als alles bis dahin Gewesene. Lian
begriff, dass das Kind jede Minute kommen würde und hockte sich hinter mich.
Ich starrte in das Feuer und atmete tief ein und aus. Schließlich holte ich
noch einmal tief Luft und mit dem nächsten Schrei kam zwischen meinen Beinen
ein kleiner Kopf zum Vorschein.
    „Sehr gut! Noch einmal und Ihr habt es geschafft!“
Lian griff nach dem Köpfchen und als ich den nächsten Schrei tat, glitt auch
der Rest des Neugeborenen aus meinem Körper. Wie aus Wut über die plötzlich
fehlende Wärme seiner gewohnten Umgebung, stieß es einen krähenden Schrei aus
und ballte die Fäustchen.
    Glücklich starrte ich noch immer in das Feuer.
Lian hatte mir den kleinen Jungen auf den Bauch gelegt und ich betrachtete sein
kleines, faltiges Gesicht. Vorsichtig streichelte ich über die zarten Wangen
und sah erneut in Richtung Feuer.
    „Ich liebe dich“, flüsterte ich den Flammen zu,
und das Feuer veränderte sich.
    Baos Gesicht lächelte und verschwand.
     
    ***
     
    Bao wurde aus seinen Gedanken gerissen, als seine
Männer einen Freudenschrei taten. Er benötigte einige Augenblicke, sich zurecht
zu finden, denn er war noch zu überwältigt von den Bildern, die er eben in
seinem Kopf wahrgenommen hatte. Er hatte Min-Tao gesehen, wie sie vor ihm
gesessen hatte. Er war Betrachter

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