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Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Titel: Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Pilastro
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nicht zur Seite gestanden, aber heute! Bitte. Vertraue
dich mir an.“
    „Ich habe sie umgebracht“, war wieder die einzige
Antwort, die er bekam.
    „Wieso? Was hast du getan?“
    Cheng-Si flüsterte etwas und Wang Anshi hielt sein
Ohr dicht an ihre Lippen. „Was hast du gesagt?“
    „Sie haben ein Kind.“
    „Wer hat ein Kind?“, wollte er wissen, doch dann begriff
er und verstummte. „Warum bist du nicht früher zu mir gekommen?“, wollte er
wissen. Doch eine Antwort bekam er nicht mehr.
    Cheng-Si hatte ihren Körper verlassen.
    Heimlich, und nur weil niemand zugegen war, weinte
Wang Anshi um die Frau, die er einst geliebt hatte.
     
    „Eure Frau hat den Tod Eurer zweiten Frau nicht verkraftet“,
berichtete Wang Anshi wenig später dem Kaiser, „und sich schon seit geraumer
Zeit zurückgezogen. Im Haus der Frauen war das bekannt und man hatte
sich darauf geeinigt, Min-Tao die Zeit zu geben, die sie benötigte, sich wieder
zu fangen. Nachdem sich aber keine Besserung eingestellt hatte, war die
Trauernde in einem Moment der Unüberlegtheit ihrem Freiheitsdrang gefolgt und
hat zu Pferd den Palast verlassen.“
    Shenzong wurde wütend. „Ich hätte ihr das in
Dongjing schon nicht erlauben dürfen! – Und welche Rolle spielt Cheng-Si in
diesem Schauspiel?“
    Wang Anshi schluckte. „Sie hat versucht, sie
zurückzuholen. Dabei ist es zu diesem Unglück gekommen. Mein Kaiser...“ Was er
zu sagen hatte, fiel ihm schwer. „Cheng-Si… Sie ist heute Morgen gestorben.“
    Shenzong schwieg betroffen.
    „Wenn ich mir eine Frage erlauben darf…“ Wang Anshi
verbeugte sich.
    „Ja, Kanzler?“
    „Mit Eurer Erlaubnis würde ich mich gerne um ihr Begräbnis
kümmern.“
    Shenzong schien zu überlegen. Dann winkte er ab.
„Du hast meine Erlaubnis. Lass ihr alle Ehren zukommen. Sie ist in ihrer
Pflichterfüllung gestorben.“
    Erleichtert zog sich Wang Anshi zurück.

Teil VI
    WOHIN DIE FÜße TRAGEN
     
    26    ITOSUS HÜTTE
     
     
    Nahe Qin, erster Mondmonat 1076
     
    Wie aus weiter Ferne nahm ich von irgendwo
gedämpft Geräusche wahr, die mein Geist nicht zuordnen konnte. Ich erwachte aus
einer tiefen Müdigkeit und war zu erschöpft, mich zu bewegen. Als ich genug
Kraft gesammelt hatte, öffnete ich die Augen, die jedoch sofort wieder zufielen.
    Wo war ich? War ich denn nicht gestorben? Das wäre
kaum zu glauben, denn das Letzte, an das ich mich erinnern konnte, waren Kälte,
Schnee und das sichere Wissen, zu sterben.
    Doch die Schmerzen, die durch meinen Körper
fuhren, machten mir deutlich, dass ich alles andere als tot war. Ein Augenlid
ließ sich heben und ich erkannte über mir eine Holzdecke. Offensichtlich lag
ich auf dem Rücken. Mein Körper war ein einziger Schmerz und ich stöhnte leise
auf. Das Auge fiel wieder zu und das Blut, das durch die Augenlider floss,
tauchte meine Umgebung in ein dunkles Orange. Für einen weiteren Versuch, die
Augen zu öffnen, fühlte ich mich zu schwach und so behielt ich sie geschlossen.
    Was war geschehen, dass ich hier – irgendwo – lag?
    Die Geschehnisse der jüngsten Vergangenheit lagen
wie im Nebel vor mir…
    Gedanken und Bilder schossen bruchstückhaft auf
mich ein und schlagartig war ich wach: Ich hatte ein Kind geboren!
    „Shao“, wimmerte ich und konnte vor lauter Tränen
gar nichts mehr sehen. Jemand streichelte meine Wange und wischte sie trocken.
Ich zwang mich, die Augen zu öffnen und sah verschwommen einen Menschen vor mir
knien.
    Im Raum war es halbdunkel. Doch hinter der knieenden
Person befand sich eine geöffnete Tür und das Tageslicht blendete mich so, dass
ich nur die Silhouette des Körpers sah.
    „Wo ist mein Sohn?“, presste ich hervor.
    „Ihr seid aufgewacht. Das ist gut. Ich war mir
nicht sicher, ob Ihr es schafft.“ Eine Männerstimme sprach zu mir.
    „Mein Sohn. Wo ist er?“ Durch die wenigen Worte
war ich wieder am Ende meiner Kräfte angelangt.
    „Es geht ihm sicher gut.“ Die menschliche Stimme
klang freundlich und ich fiel wieder in einen tiefen Schlaf.
     
    Als ich das nächste Mal erwachte, konnte ich meine
Augen sofort öffnen und blickte wieder auf die Holzdecke. Es war noch immer
dämmrig im Raum, aber nicht düster. Durch die Ritzen der Außenwände drang etwas
Licht herein und ich sah den Staub in kleinen Wirbeln durch den Raum fliegen.
    Als ich den Kopf nach rechts drehte, sah ich die
Tür, die nun mit einer Decke verhängt war. Neben dem Eingang standen ein paar
Fässer, am Boden lagen Tücher oder Decken.

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