Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Titel: Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Pilastro
Vom Netzwerk:
war.
    Cheng-Si glitt vom Pferd. Den eigenen Schmerz
vergaß sie beim Anblick der jungen Frau vollkommen. Sie kniete sich neben
Min-Tao, drehte sie auf den Rücken und starrte in ein blaues Gesicht.
    „Min-Tao! Wach auf!“, schrie sie sie an, doch es
kam keine Antwort.
    Der Tag wurde immer dunkler und Cheng-Si wusste,
sie dürfte nicht zu viel Zeit hier verschwenden, die ihr später für eine
sichere Rückkehr in den Palast fehlen würde. Mehrmals schüttelte sie die junge
Frau, doch es kam keine Reaktion.
    „Du kannst mir doch jetzt nicht wegsterben,
Min-Tao!“
    Verzweifelt versuchte sie, den kalten Körper auf
das Pferd zu hieven, aber Cheng-Si war nicht mehr die Jüngste und der viele
Schnee war auch keine Hilfe. Bestürzt begriff sie, dass sie Min-Tao würde
zurücklassen müssen, wenn sie selbst überleben wollte.
    Sie packte Min-Tao ihn ein paar Decken, die sie
selbst entbehren konnte und bedeckte alles mit Schnee. Weinend zog sie sich mit
ihren letzten Kräften auf ihr Pferd und ritt zurück.
    Ning verharrte zunächst neben ihrer Herrin,
doch schließlich folgte auch sie Cheng-Si.
    Die Rückkehr in den Palast stellte sich als
schwierig heraus. Cheng-Si hatte sich bei der Suche viel weiter von der Hütte
entfernt, als sie gedacht hatte. Sie erreichte das kleine Holzhaus erst, als
der Morgen graute. Ihr Kopf dröhnte und sie sah sich versucht, für eine Pause
einzukehren. Doch sie trieb sich an weiterzureiten. Von hier aus waren es noch
einmal etwa zwei Wegstunden, bis sie schließlich den Palast erreichte. Kraftlos
fiel sie dort den Stallburschen in die Arme. „Sie ist tot!“, war alles, was sie
stammeln konnte. „Min-Tao ist tot!“
     
    Die Nachricht ging um wie ein Lauffeuer. Shenzong
raste vor Wut, als er erfuhr, dass Min-Tao sich ohne seine Erlaubnis aus dem
Palast entfernt hatte. Niemand konnte so wirklich glauben, was passiert war.
Der Kaiser hatte zunächst darauf bestanden, Min-Taos Leichnam suchen zu lassen,
doch Cheng-Si war nicht ansprechbar gewesen. Die Soldaten, die zum Suchen
entsandt wurden, kehrten alle mit leeren Händen zurück.
    Für die Frauen war es ein Schock. Erst war Shinlan
von ihnen gegangen und nun auch Min-Tao, von der es nicht einmal einen Körper
gab, den man betrauern geschweige denn begraben konnte. Der Kaiser untersagte
öffentliche Trauer und so beschränkten sie sich auf eine kleine Andacht in
ihrem Gemeinschaftsraum und entzündeten im Kamin ein Rauchfeuer, um Min-Taos
Seele den Weg in den Himmel zu erleichtern.
     
    Wang Anshi erhielt den Befehl, Cheng-Si zu befragen,
sobald es ihr besser ging. Als sie erwachte, besuchte er sie im Haus der
Genesung . Entsetzt über ihr geschwollenes und dunkelverfärbtes Gesicht
griff er nach ihrem bloßen Arm und erschrak: Ihr Körper hatte mit hohem Fieber
zu kämpfen. Alles deutete darauf hin, dass auch die Alte den anstrengenden
Ausflug in die Kälte nicht überleben würde.
    „Mein lieber Anshi! Wie alt du doch geworden
bist!“ Cheng-Si war bei der Berührung erwacht und sah schwach zu ihrem
ehemaligen Geliebten auf.
    „Sprich nicht so viel. Du musst dich schonen.“
Wang Anshi streichelte ihr vorsichtig über die Wange.
    „Ich habe sie umgebracht!“
    „Was redest du denn da?“ Die Stimme des Alten
klang eher beruhigend als beunruhigt. „Du hast niemanden umgebracht. Min-Tao
ist aus dem Palast geflüchtet und du wolltest sie zurückholen, nicht wahr?“
Seine Stimme klang eindringlich und er hoffte, Cheng-Si würde diese rettende
Geste annehmen.
    Cheng-Si wimmerte.
    „Schlafe ein wenig, meine Liebe.“
    Doch sie war nicht zu beruhigen. „Ich habe sie umgebracht“,
waren die Worte, die sie immer wieder murmelte. Wang Anshi streichelte ihr
sanft über die Stirn, bis Cheng-Si schließlich in einen unruhigen Schlaf
verfiel.
     
    Das Fieber wollte nicht sinken, egal welche Arznei
die Ärzte ihr auch gaben.
    „Sie will nicht genesen“, stellte einer der Heiler
fest. „Da können selbst wir nichts tun. Sie muss es wollen.“
    Wang Anshi starrte nachdenklich auf das Bett, in
dem Cheng-Si leichenblass lag. „Was kann man tun?“
    Der Mann an seiner Seite schüttelte den Kopf.
„Solange wir nicht wissen, was sie beschäftigt und belastet, können wir
diese Blockade nicht lösen. Im Moment sehe ich keine Chance auf Heilung.“ Er
ließ Wang Anshi mit Cheng-Si allein.
    Der Kanzler setzte sich neben sie und drückte ihre
Schulter. „Meine Liebe. Sag mir, was dich beschäftigt. Teile deine Sorgen mit
mir. Ich habe dir früher

Weitere Kostenlose Bücher