Die Geliebte des italienischen Millionaers
hatte, war Lucca jedoch der beste und zuverlässigste Freund. Er unterstützte sie in jeder Hinsicht, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Aber er konnte auch ein erbarmungsloser und unversöhnlicher Gegner sein. Damals war sie, Vivien, für ihn etwas ganz Besonderes gewesen, doch das war jetzt anders. Ihr war schmerzlich bewusst, was sie aus lauter Dummheit und mangelndem Vertrauen freiwillig aufgegeben hatte.
Sie wusste nicht, ob seine Enttäuschung und sein Ärger über das eingeschränkte Umgangsrecht mit Marco etwas damit zu tun hatten, dass er mit ihr Sex hatte haben wollen und auch gehabt hatte. Vivien konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass er sie zu verführerisch gefunden hatte, um ihr zu widerstehen. Ihrer Meinung nach war sie keine auffallende Schönheit, und sie konnte bestimmt keinen Mann um den Verstand bringen. Lucca war jedoch noch nie berechenbar oder leicht zu verstehen gewesen. Es war sehr demütigend gewesen, dass er das, was sie gemeinsam erlebt hatten, unbeeindruckt als reinen Sex abgetan hatte. War es wirklich nur Sex gewesen? Wäre es nicht möglich, dass sich aus den leidenschaftlichen Gefühlen etwas Dauerhafteres und Tieferes entwickelte? Könnte es nicht ein neuer Anfang sein?
Vivien zuckte resigniert mit den Schultern. Sie gab ihren Traum vom Glück nur ungern auf. Aber es war zu gefährlich, sich Illusionen zu machen. Sie zog nur Lucca und ihrem Sohn zuliebe nach London. Natürlich hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie die Ehe hatte scheitern lassen und Lucca keine Möglichkeit gegeben hatte, eine Vater-Sohn-Beziehung aufzubauen. Deshalb war sie ihm eine Wiedergutmachung schuldig. Er hatte von einem freundschaftlichen Umgang gesprochen. Das klang vielversprechend. Lucca würde wieder zu ihrem Leben gehören, sie würden sich öfter sehen und miteinander reden. Vielleicht könnten sie im Lauf der Zeit auch ihre Differenzen beilegen.
Daraus könnte sich langsam etwas ganz anderes entwickeln. Vivien liebte Lucca genug, um einiges zu ertragen und geduldig zu warten. Sie sehnte sich danach, alles wieder in Ordnung bringen zu können. Ihr traten Tränen in die Augen, und rasch blinzelte sie diese weg. Entsetzt über ihre Gedanken, eilte sie nach unten. Lucca würde sie und Marco sowieso bald abholen lassen.
Bernice kam mit einem Glas Wein in der Hand aus der Küche. "Willst du wirklich nach London ziehen?"
Vivien verspannte sich unwillkürlich, als sie Bernice' missbilligendem Blick begegnete. "Ja."
"Ich kann es einfach nicht glauben, dass du dich von ihm wieder zum Narren halten lässt." Sie warf Vivien einen verächtlichen Blick zu. "Du bist für ihn nur eine Marionette. Lucca Saracino zieht die Fäden, und du tust genau das, was er will."
"Nein, so ist es wirklich nicht", protestierte Vivien und seufzte. Es berührte sie sehr, dass ihre Schwester so besorgt um sie war. Aber sie wünschte, Bernice würde versuchen, sie zu verstehen. "Lucca möchte öfter mit Marco zusammen sein, und das ist sein gutes Recht. Vater und Sohn stehen sich sehr nah. Als ich die beiden zusammen gesehen habe, wurde mir bewusst, dass Marco seinen Vater genauso sehr braucht wie mich."
Bernice verzog verächtlich die Lippen und sah Vivien ungläubig an. "Gibst du etwa aus purer Uneigennützigkeit hier alles auf?"
Vivien errötete schuldbewusst. Schnell bückte sie sich und beschäftigte sich mit Jocks Transportkorb, in dem der kleine Hund saß und beleidigt zu sein schien. "Vielleicht will ich nur die Fehler, die ich gemacht habe, wieder gutmachen."
"Warum willst du die Wahrheit nicht zugeben? Du bist immer noch scharf auf Lucca und ihm gegenüber deshalb so nachgiebig, weil du hoffst, dass er dich zurücknimmt!"
"Wenn es so wäre, wäre es immer noch mein Problem, nicht deins", entgegnete Vivien mürrisch.
Bernice war verblüfft. Normalerweise wehrte ihre Schwester sich nicht. "Schämst du dich denn gar nicht? Hast du gar keinen Stolz mehr?"
Vivien dachte darüber nach. Aus Stolz hatte sie vor zwei Jahren Lucca überstürzt verlassen und die Ehe zerstört. Damals hatte sie auf ihre Schwester gehört, die ihr zu diesem Schritt geraten hatte. Vielleicht war das falsch gewesen. Sie hätte Lucca den Seitensprung sicher früher oder später verziehen, wenn sie bei ihm geblieben wäre. Sie kannte sich und wusste, dass sie Lucca gegenüber immer wieder schwach wurde. Deshalb war sie gegangen, ehe sie es sich anders hatte überlegen können. Die Situation war jedoch dieses Mal ganz anders.
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