Die Geliebte des Kosaken
war.
Immer wieder lief sie zum Fenster, um nachzusehen, ob die versprochene Kutsche bereits vor dem Haus stand. Doch einstweilen fuhren nur eilige Droschken vorüber, hin und wieder sah man einen Reiter, und auf der Moika trieben kleine Boote vorbei, die mit Lasten aller Art beladen waren.
Eine Stunde verging, dann noch eine halbe, und Nataljas Hoffnung sank in sich zusammen. Wie hatte sie nur so gutgläubig sein können? Dieser kleine Gauner hatte sich mit ihrem Rubel davongemacht, vermutlich würde sie ihn nie wiedersehen. Was nun? Wieder ärgerte sie sich über Dorogin, der ihr nicht hatte helfen wollen. Ein Mann konnte einfach ganz allein durch die Stadt spazieren, sich Wagen, Pferde und Dienerschaft mieten, ohne dass irgendjemand daran Anstoß nahm. Natalja seufzte und wollte gerade die Gardine wieder vor das Fenster ziehen, als eine Kutsche vor dem Haus anhielt.
Es war nicht gerade ein herrschaftliches Gefährt, zudem war auf den ersten Blick zu erkennen, dass es schon bessere Tage gesehen hatte, denn die dunkle Farbe blätterte an einigen Stellen ab, und die Räder schauten wenig vertrauenerweckend aus. Aber die Pferde schienen nicht übel zu sein, und die nötige Begleitung war auch mitgekommen. Zwei junge Diener saßen auf den Klappsitzen, ein weiterer neben dem Kutscher auf dem Bock, und im Inneren der Kutsche erblickte sie die Umrisse einer Frau.
Erleichtert, wenn auch etwas ärgerlich über die Verspätung warf sie sich einen Umhang um die Schultern und band sich den Hut fest. Dann wies sie Jefim und Marfa an, das Gepäck hinauszutragen.
„Herrin, was soll das werden?“, jammerte Marfa und rang die Hände. „Ihr wollt Euch doch nicht diesen Leuten anvertrauen. Man sieht ja auf den ersten Blick …“
Natalja hörte nicht auf sie, sondern lief an ihr vorüber auf die Straße hinaus. Einer der Diener war von seinem Klappsitz gestiegen, und sie erkannte Dimitrij.
„Verzeiht, Herrin, wir mussten erst die Kutsche richten. Wir sind zur Stelle. Dies ist mein Onkel Serafim, die beiden anderen sind Igor und Wolodja, seine beiden Söhne. Und dies ist meine Tante Veruschka.“
Er wies auf die Frau, die ein weißes Tuch um den Kopf gebunden hatte und jetzt den Kutschenschlag einladend öffnete. Natalja erschrak ein wenig, denn Tante Veruschka war weder jung, noch hatte sie ein angenehmes Aussehen. Ihr Gesicht war länglich, die Nase so herabgebogen, dass sie fast den schmalen Mund zu berühren schien, und die kleinen, hellen Augen hatten etwas Lauerndes.
Natalja beschloss bei sich, diese Dienerin bei nächster Gelegenheit zu entlassen und eine andere zu nehmen, auch Igor und Wolodja fanden wenig Beifall vor ihren Augen, denn sie stierten stumpfsinnig vor sich hin und schienen bereits ordentlich dem Wodka zugesprochen zu haben. Vorerst war jedoch nichts zu machen, sie musste die Leute so nehmen, wie sie eben waren. Die Hauptsache war, dass sie so rasch wie möglich ihre Reise antrat.
„Mein Gepäck ist bereit“, sagte sie und wies auf die geöffnete Haustür, wo Marfa und Jefim voller Entsetzen auf die fremde Kutsche und Dienerschaft starrten.
„Verzeiht, Herrin“, gab Dimitrij zurück, und er wechselte rasch einen Blick mit seinem Onkel, der im Gegensatz zu seinen Söhnen das Geschehen aufmerksam verfolgte, „mein Onkel ist nicht reich, auch hat er Unkosten gehabt, um die Pferde zu mieten …“
„Ich werde alle Ausgaben ersetzen und bezahle zusätzlich für Kutsche, Diener und Pferde. Heute Abend, wenn wir in einem Gasthaus übernachten, werde ich euch eine erste Summe aushändigen.“
Dimitrij sah fragend zu seinem Onkel hinauf, der nickte und den beiden Söhnen einige harsche Befehlsworte zuwarf, worauf sie von ihren Sitzen stiegen. Die Bewegungen der Diener waren – so schien es Natalja – unendlich langsam und ungeschickt, wären nicht die allzeit wachen Augen des Onkels gewesen, so hätten Igor und Wolodja sich vermutlich irgendwohin verzogen, um ein Gläschen zu trinken und darauf ein längeres Schläfchen zu halten.
Natalja hätte sich gern von Marfa und Jefim verabschiedet, doch die beiden jammerten lauthals und baten die junge Herrin ein ums andere Mal, ins Haus zurückzukommen. Marfa klammerte sich sogar an einen der Reisekoffer, den Dimitrij ihr schließlich gewaltsam aus den Händen reißen musste. So zog Natalja sich das Tuch eng um die Schultern und stieg zu Tante Veruschka in die Kutsche, um die Klagen nicht länger mit anhören zu müssen. Es schnitt ihr ins Herz, denn
Weitere Kostenlose Bücher