Die Geliebte des Kosaken
wirre Haar aus dem Gesicht.
„Du hast einen Alptraum gehabt, Natalja“, murmelte er und küsste sie zart auf die Wange. Ihre Lippen waren rosig und feucht, sein Mund suchte vorsichtig tastend den Weg dorthin.
„Er liegt drüben neben meinem Lager.“ Sie entwand sich ihm und fasste ihn energisch an der Hand, so dass ihm nichts anderes übrigblieb, als sich hochziehen zu lassen und ihr zu folgen.
„Was – bei allen Teufeln …“ Die Worte blieben ihm im Halse stecken. Im matten Licht der hellen Nacht erkannte er zunächst unzählige farbige Papierstückchen, die überall im Raum verteilt waren. Das Tischchen, die Schemel, der Fußboden, die Strohsäcke – alles voller Rubelscheine. Dann erst sah er die dunklen Umrisse eines männlichen Körpers, der zwischen zwei Strohsäcken am Boden lag.
„Er … er stand auf einmal neben meinem Bett, und da … da habe ich …“
Andrej hörte gar nicht zu, er kniete längst neben dem reglos liegenden Menschen, hatte mit kundiger Hand eines seiner Lider hochgezogen und war jetzt damit beschäftigt, die Kleider des Mannes zu durchwühlen. Der Kerl trug Lederhosen und darüber eine dunkle Jacke, dazu Stiefel aus gutem, teurem Leder. Er mochte um die 40 sein, sein blondes Haar war gepflegt, und er hatte hübsche Koteletten.
„Ich wollte ihn doch nicht töten“, jammerte Natalja. „Ich hatte mich nur so furchtbar erschrocken, und da habe ich …“
Andrejs Suche ergab nichts außer einem Messer und einer Pistole, die er im Gürtel stecken hatte. Keine Papiere, kein Portefeuille, keinen Hinweis auf seine Identität. Verflucht!
„Da hast du den Wasserkrug neben deinem Bett gegriffen und zugeschlagen“, vervollständigte er ihren Satz. „Beruhige dich – er ist nicht tot. Nur für einige Minuten weggetreten. Für eine junge Dame der guten Gesellschaft hast du einen erstaunlichen Schlag am Leibe.“
Natalja sank auf einen der Strohsäcke, sie war so erleichtert, dass sie schluchzte. „Herr im Himmel, ich danke dir“, flüsterte sie. „Es war so furchtbar, als er zurücktaumelte, und seine Stirn war ganz blutig … Oh Andrej, ist er auch ganz sicher am Leben?“
Andrej nahm die Waffen des Bewusstlosen an sich und nickte grimmig. Dann sah er sich im Raum um. „Was – bitte sehr – soll das bedeuten?“
Sie wischte sich mit der Hand über das Gesicht und schniefte. „Ach das … das ist das Geld, das ich im Saum meines Kleides eingenäht hatte. Es war ganz nass, und ich musste es trocknen.“
Er starrte sie an und machte dann ein Geräusch, das irgendwo zwischen einem erstickten Aufschrei und einem brüllenden Gelächter lag.
„Sammle das Zeug ein, und zwar schnell!“, raunzte er sie an. „Willst du, dass Wirt und Wirtin es sehen? Wenn du dein Geld so zur Schau stellst, musst du dich nicht wundern, dass ein Dieb hier einsteigt.“
„Aber … aber es ist noch feucht …“, wandte sie schüchtern ein. Als er sie jetzt jedoch mit zornigen, blauen Augen anblitzte, gehorchte sie augenblicklich, hielt die weite Bluse ein wenig von sich ab und sammelte alle Rubelscheine hinein. Fasziniert sah Andrej dem Schauspiel zu und murmelte leise Flüche vor sich hin. Man konnte dieses Mädchen wirklich nicht sich selbst überlassen – sie verbrach einen Unfug nach dem anderen.
Ein leiser Seufzer des am Boden liegenden Mannes erinnerte ihn wieder daran, nun erst das Nächstliegende zu tun. „Bring das Zeug hinüber in die Kammer und lege es in ordentliche Bündel“, befahl er Natalja. „Und zieh dir etwas über.“
Sie fuhr zusammen und errötete tief, denn sie hatte erst jetzt begriffen, wie leicht bekleidet sie vor ihm stand. Ohne die üblichen Widerworte verschwand sie in der Kammer, und Andrej sah zufrieden, wie sie sorgfältig die Tür hinter sich schloss. Er brauchte keine Zeugen bei dem jetzt fälligen Verhör.
„Wer hat dich geschickt?“
Der Mann blinzelte und tat, als sei er noch benommen. Andrej ließ sich jedoch auf nichts ein und packte ihn grob am Kragen der Jacke. „Antworte – oder ich prügele es aus dir heraus, Kerl!“
Der Mann machte eine ängstliche Gebärde und stöhnte, denn die Platzwunde am Kopf schmerzte bei der Erschütterung. „Es geht um das Mädchen“, murmelte er. „Wir wollten herausfinden, wer sie ist.“
In Andrejs Kopf kreisten die Vermutungen wie ein Bienenschwarm. „Wer ist ‚wir‘?“
„Wir sind zu zweit. Der andere wartet draußen …“
„Wer hat den Auftrag gegeben?“
Der Mann zögerte, und als Andrej ihn
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