Die Geliebte des Kosaken
seinerzeit gegen Napoleon geritten und liebte es, seine Kriegshistörchen zum Besten zu geben. Rittmeister Sokolow, nur halb so alt wie sein Vorgesetzter, litt unsäglich darunter, hier auf dem kleinen Militärposten in Perm zur Untätigkeit verdammt zu sein, denn er hielt sich für einen genialen Strategen und träumte von Ehre und Ruhm. Oleg amüsierte sich insgeheim köstlich darüber, wie sorgfältig der arme Sokolow seinen kleinen, braunen Schnurrbart pflegte und immer wieder versicherte, die Damenwelt in Perm sei leider nicht mit jener in St. Petersburg zu vergleichen. Eine Meinung, in der Oleg ihn eifrig unterstützte und zum Beweis einige Petersburger Schönheiten in allen Einzelheiten so ausführlich beschrieb, dass die anwesenden Herren lüsterne Augen bekamen.
Er hätte es schlechter treffen können. Zwar hatte man ihn zu Anfang in einer schmutzigen Zelle eingesperrt und ziemlich rüde behandelt, da er sich jedoch geständig zeigte und den rechten Ton fand, besserte sich seine Lage erstaunlich rasch. Er war Offizier, ein gebildeter Mensch mit hervorragenden Umgangsformen und kam noch dazu aus St. Petersburg – das war doch endlich eine Abwechslung. Oleg hatte das Vertrauen der wenigen Offiziere in Perm rasch gewonnen, sogar der Gefängnisdirektor Scharin hegte Sympathien für ihn und quartierte ihn in einem eigens für ihn eingerichteten und recht passablen Zimmer ein. Der Einzige, auf den er noch aufpassen musste, war der Polizeichef Orlow, der immer noch kurz angebunden war und ihn mit misstrauischen Blicken verfolgte. Aber das mochte auch daran liegen, dass der dürre, semmelblonde Orlow die Herren Offiziere von Herzen hasste, denn er kam aus einer Kaufmannsfamilie und konnte die adeligen Angeber nicht ausstehen.
„Es ist ein Jammer um Sie, Petrow“, meinte Oberst Jewremow mit echtem Bedauern in der Stimme, „so ein Teufelskerl wie Sie, ein Offizier, ein kluger Kopf – was haben Sie sich nur dabei gedacht?“
Oleg wischte sich die fettigen Hände an einer Serviette ab und fasste sein Weinglas, um dem Oberst zuzuprosten. „Es war die Herausforderung, das Abenteuer“, gestand er resigniert, „in diesen Zeiten bekommt man nicht häufig eine Gelegenheit, seinen Mut unter Beweis zu stellen.“
„Goldschmuggel ist kein Husarenstreich“, bemerkte Sokolow kopfschüttelnd. „Es war eine schreckliche Dummheit, Petrow, dieser Kosakenbande zu trauen. Die Kerle haben Sie reingelegt, sich das Gold unter den Nagel gerissen, und Sie haben alles verloren.“
„Vermutlich haben Sie recht“, gab Oleg seufzend zurück.
„Verloren und verspielt“, bemerkte Sokolow traurig und langte nach der Weinflasche.
Der Rittmeister ahnte nicht, wie sehr er recht hatte. Oleg hatte tatsächlich fast das ganze, riesige Vermögen seines Vaters am Spieltisch und auf der Rennbahn gelassen, nur die Zuneigung und der Kredit einer schwerreichen Witwe der ersten Gesellschaft hatten ihn die letzte Zeit vor einem Desaster bewahrt. Wie durch ein Wunder waren seine Verluste während der vergangenen Ballsaison noch verborgen geblieben, und er hatte die Chance wahrgenommen, die hübsche kleine Natalja Galugina zu erobern. Mit dieser Heirat wären alle seine Probleme gelöst gewesen, doch er hatte unglaubliches Pech. Seine Geliebte schätzte es gar nicht, dass er sich verheiraten wollte, und obgleich er ihr bei allen Heiligen schwor, sie weiterhin zu besuchen, drohte sie, seine Schulden überall bekannt zu machen, falls er nicht die Verlobung mit der kleinen Galugina löste.
Ein verfluchtes Dilemma – es waren doch immer wieder die Weiber, durch die er in Schwierigkeiten geriet. Er hatte sich in seinem Ärger und seiner Verzweiflung gründlich besoffen und war dabei in einer Schenke auf einen richtig netten Kerl gestoßen: Andrej Semjonitsch Dorogin. Sie hatten viel gemeinsam, Andrej und er. Besonders das Problem mit den Frauen, denn Andrej hatte vor zwei Jahren eine ähnlich schwierige Affäre mit einer verheirateten Frau gehabt, die ihn letztlich seinen Offiziersrang gekostet hatte. Andrej hatte Mitleid mit ihm und schlug ihm vor, bei einem guten Geschäft einzusteigen …
Inzwischen hasste Oleg seinen hilfreichen Freund Andrej abgrundtief, denn er war felsenfest davon überzeugt, dass Andrej schuld an seiner jetzigen Lage war. Dieser Feigling hatte ihm, Oleg, den gefährlichsten Teil der Aktion zugewiesen und sich dann, als die Sache schieflief, aus dem Staub gemacht. Aber seine Stunde würde schon noch kommen, und dann
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