Die Geliebte des Kosaken
Heldentod ihres Vaters im Krieg gegen Napoleon, ihre Mutter hatte den geliebten Gatten nur um ein knappes Jahr überlebt.
Hin und wieder fragte sie auch nach seiner Familie, und er berichtete, dass seine Eltern einen großen Besitz in der Nähe von Moskau hätten.
„Ach“, rief sie. „Jetzt erinnere ich mich. Fürst Alexander Dorogin, meine Großmutter sprach einmal von ihm. Das ist dein Vater?“
„Nein“, sagte er kurz angebunden, „mein Vater war ein Kosak.“
Sie sah erstaunt zu ihm hinüber, doch seine Miene war so düster, und seine Augen blickten fast wild, so dass sie nicht weiter zu fragen wagte und rasch das Thema wechselte.
Acht Tage später erreichten sie die Suchona, einen flachen Strom, der gemächlich eine breite, sumpfige Ebene durchzog. Myriaden von Mücken fielen über sie her, als sie zum Ufer hinabritten, um dem alten Treidelpfad zu folgen, der den Fluss begleitete. Der Himmel hatte sich mit einem milchigen Grau überzogen, kein Lüftchen regte sich, und die Schwüle lastete drückend auf Pferden und Reitern. Natalja wehrte sich tapfer gegen die Plagegeister und war froh, dass Kniehosen und Stiefel sie gegen die Stiche schützten, während die armen Pferde fast von den Mücken aufgefressen wurden. Andrej schien sich wenig um die lästigen Insekten zu kümmern, stattdessen sah er besorgt zum Horizont hinüber, an dem ein zackiger, dunkler Saum aufgestiegen war, den Natalja zuerst für ein Gebirge gehalten hatte.
„Wir werden Gewitter bekommen“, rief er ihr zu. „Sehen wir zu, dass wir einen Unterschlupf finden.“
Natalja nickte beunruhigt, denn schon war in der Ferne ein leises Donnergrollen zu vernehmen, und sie spürte, wie der Braune unter ihr nervös zitterte.
Die dunkle Wolkenwand wuchs mit erstaunlicher Schnelligkeit empor, während sich ein fahles, gelbliches Licht auf die Ebene und den Fluss legte. Ein erster Blitz zuckte über die schwarzen Wolken, erhellte sekundenlang die Landschaft, dann folgte ein dröhnender Donnerschlag. Der Braune stieg erschrocken, und Natalja wäre um ein Haar vom Pferd gestürzt, wenn Andrej ihr nicht rasch in die Zügel gegriffen und das Tier beruhigt hätte.
„Da drüben ist eine Scheune!“
Unter Blitz und Donner galoppierten sie über die flache Ebene, erreichten die Scheune, die ein spitzes Dach wie ein Wohnhaus hatte, und zogen die Pferde unter die vorstehende Dachkante. Am ganzen Körper zitternd, starrte Natalja auf den schwarzen Himmel, den immer wieder zackige Linien durchfurchten wie eine gleißende Geisterschrift. Die Donnerschläge, die den Blitzen folgten, waren jetzt so laut, dass sie sich angstvoll die Ohren zuhielt.
„He, kleine Schwester“, murmelte Andrejs tiefe Stimme dicht neben ihr, „du wirst doch wohl keine Angst vor einem Gewitter haben.“
„Nein … doch“, stammelte sie und war froh, dass er jetzt den Arm um ihre Schultern legte. Als der nächste Donner gewaltig über ihnen krachte, drängte sie sich an ihn, spürte seine beruhigende Wärme und fühlte sich geborgen.
„Pass auf, es wird gleich regnen“, raunte er ihr ins Ohr, „dann ist das Schlimmste vorbei.“ Tatsächlich fielen schon die ersten dicken Tropfen, kleine, dunkle Pünktchen zeichneten sich auf dem staubigen Boden vor ihren Füßen ab, und man hörte, wie der Regen auf das Dach der Scheune schlug.
„Komm rein, bevor wir nass werden.“
Sie sattelten die Pferde ab und trugen Sättel und Gepäck in die Scheune. Der halbdunkle Raum war mit Heu und gebündeltem Stroh angefüllt, es roch intensiv nach Wiesenkräutern, nach Holz und nach Sommer. Andrej schob die Strohbunde ein wenig zur Seite, so dass eine kleine Lücke entstand, in die sie sich hineinhocken konnten. Der Regen war stärker geworden, trommelte jetzt wild auf dem Dach herum, und man vernahm deutlich, wie das Wasser an den hölzernen Schindeln herabströmte. Immer noch grollte der Donner, die Blitze tauchten das Innere der Scheune sekundenlang in ein grelles, bläuliches Licht.
„Als ich klein war, bin ich bei Gewitter immer zu meiner Großmutter ins Bett geschlüpft“, gestand sie.
Er grinste, zog sie an seine Brust und umhüllte sie mit seiner Jacke. Die Kappe war von ihrem Kopf gerutscht, und er sog begierig den Duft ihres offenen Haares ein, dann strich er vorsichtig die goldfarbene Haarflut beiseite, um ihre Wange zu berühren. Sie hielt still und hatte die Augen geschlossen; als er ihr zart über Stirn und Wange strich, zitterten ihre Augenlider nur schwach. „Und
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