Die Geliebte des Kosaken
einer Antwort enthoben, denn in diesem Moment tauchte ein dunkler Schatten an der Scheunentür auf.
„He! Brüderchen! Was sagt man denn dazu? Das ist ja mal eine nette Überraschung!“
Andrej fuhr zusammen, denn er kannte diese rauhe Männerstimme recht gut. Verflucht – sie waren beide so beschäftigt gewesen, dass sie die herankommenden Reiter nicht bemerkt hatten. Schwarze, regentriefende Gestalten tauchten am Eingang der Scheune auf, struppige dunkle Bärte, aus denen das Wasser tropfte, glänzende Augen unter dichten Brauen, verständnisinnig grinsende, breite Münder.
Andrej erhob sich, um sich vorsichtshalber zwischen Natalja und die neu angekommenen Männer zu postieren.
„Bogdan! Brüderchen!“, rief er und breitete die Arme aus. „Was treibt euch Kosaken an die stille Suchona?“
Einer der Männer, ein breitgebauter Kerl mit einem beachtlichen Bauch, trat ohne Eile auf Andrej zu und begrüßte ihn mit einer wuchtigen Umarmung, die einen Schwächeren als Andrej ganz sicher umgeworfen hätte. Man küsste sich auf beide Wangen, erklärte immer wieder, welch ein Glück es sei, sich hier wiederzufinden, und dass Gottes Wege unerforschlich seien. Staunend beobachtete Natalja, wie Andrej auch die anderen Kosaken wie heißgeliebte Freunde an seine Brust zog, man nannte sich mit Vornamen, klopfte sich auf die Schultern, lachte und feixte miteinander, als sei dies ein Familientreffen.
Hatte Andrej nicht gesagt, sein Vater sei ein Kosak? Mit schreckgeweiteten Augen betrachtete sie die Männer, fand sie abstoßend und furchterregend, und ihr wurde plötzlich klar, dass sie so gut wie nichts über Andrej wusste.
„Hast ein Mädel dabei, Brüderchen!“, sagte Bogdan grinsend und warf der immer noch im Heu sitzenden Natalja einen eindeutig lüsternen Blick zu. „Hast immer einen guten Geschmack gehabt, aber die da übertrifft alle anderen. Ist wohl ganz was Feines, wie?“ Er stieß Andrej vertrauensselig in die Seite und kicherte, während auch die anderen jetzt begehrlich zu Natalja hinüberschauten und ihr zugrinsten. Andrej blieb jedoch vor Natalja stehen, und seine Miene zeigte deutlich, dass er nicht zu Scherzen aufgelegt war.
„Das ist meine kleine Schwester Natalja“, sagte er ruhig und zog sie am Arm hoch. „Ich bin mit ihr unterwegs, um sie zu ihrem Bräutigam zu bringen.“
Die Mienen der Kosaken zeigten ungläubiges Staunen. „Dein Schwesterlein?“, krähte Bogdan. „Da schau an. Hast uns gar nichts davon gesagt, dass du eine Schwester hast, Andrjuscha. Und so eine schöne noch dazu. Schaut dir gar nicht ähnlich, das Mädelchen.“
So recht schien niemand an Andrejs Erklärung zu glauben, doch man respektierte immerhin, dass Natalja unter seinem Schutz stand. Bogdan machte jetzt sogar eine kleine Verbeugung vor ihr, bemühte sich um ein wohlerzogenes Lächeln und rückte dann den Gürtel über dem Bauch zurecht. „Seien Sie gegrüßt, liebe Natalja Dorogina. Wir Kosaken sind rauhe Kerle, aber einer schönen Frau stehen wir immer zu Diensten. Ganz besonders natürlich der Schwester unseres Freundes Andrej.“
„Vielen Dank“, gab sie schüchtern zurück und neigte höflich den Kopf ein wenig, „ich freue mich sehr, Andrejs Freunde kennenzulernen.“
Gott sei Dank – es waren wohl doch nicht seine Verwandten. Sie verspürte einen Stich, der unerwartet weh tat: „Die da übertrifft alle anderen.“ Ach, sie hatte ja gewusst, dass er ein Frauenheld war. Alle anderen! Großer Gott – wie viele mochten das gewesen sein? Zehn? Zwanzig? Hunderte?
Bogdan war mit ihrer Antwort sehr zufrieden, er strich sich mit der Hand das Regenwasser aus dem Bart und zeigte dann auf einige seiner Gesellen. „Dieser da mit den langen Beinen ist Wasilij, der nimmt es mit fünf Reitern gleichzeitig auf. Der mit dem schönen Schnurrbart ist Stenka, der presst mit einer Hand einen Stein zusammen, dass das Wasser herausläuft. Und der Kleine, der sich dort hinten in der Ecke herumdrückt, weil er sich vor einer schönen Frau immer schämt, das ist Kondralin, der hat einmal zwei Männer mit einem einzigen Säbelhieb erschlagen.“ Die Genannten machten ebenfalls eine kleine Verbeugung, grinsten stolz ob der schmeichelhaften Vorstellung, und Kondralin, der tatsächlich einen Kopf kleiner als die anderen war, lief rot an.
Natalja wusste nicht recht, ob sie lachen oder vielmehr entsetzt sein sollte, doch sie behielt ihre Gesichtszüge unter Gewalt und nickte den drei Männern mit ernster Miene zu.
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