Die Geliebte des Kosaken
Feind.
„Habe ich dir gesagt, dass du meine Schwester anfassen sollst? Hast dir den Schlag selber zuzuschreiben.“
„Ich will das Mädel!“, forderte Wasilij störrisch. „Bin ebenso gut wie jeder andere und allemal besser als Oleg, der feine Pinkel.“
„Was soll der Blödsinn?“, knurrte Andrej. „Natalja ist verlobt.“
„Gib sie mir freiwillig oder zeig mir, dass du mit der Kantschu umgehen kannst!“
Andrej sah zu Bogdan hinüber, der das Gespräch mit angehört hatte. Dieser zog hämisch die Augenbrauen hoch und legte mit einem vielsagenden Lächeln den Kopf schief.
„So ist der alte Kosakenbrauch, Brüderchen“, meinte er grinsend zu Andrej, „wenn du eine Kantschu brauchst, ich gebe dir meine.“
Andrej warf ihm einen wütenden Blick zu, doch inzwischen waren auch die anderen aufmerksam geworden und kamen herbeigelaufen.
„Gib’s ihm! Das Mädel ist es wert, die Wildkatze!“, ermunterten sie Wasilij in der Hoffnung auf einen spannenden Kampf.
„Werde es ihm schon zeigen“, knurrte Wasilij und sah dabei zu Natalja hinüber, die das Geschehen inzwischen mit großen Augen verfolgte.
Andrej fluchte leise in sich hinein. Wasilij war ein hervorragender Reiter und führte die Kantschu wie kein anderer. Auch Andrej hatte sich hin und wieder im Gebrauch der Lederpeitsche geübt, die einen lang auslaufenden, geflochtenen Riemen hatte und böse, sogar tödliche Verletzungen hervorrufen konnte. Doch er wusste nur allzu gut, dass Wasilij ihm mit dieser Waffe überlegen war.
Noch war es hell, im Westen brachen gleißende Sonnenflecken durch die Wolkendecke, ein unstetes Licht flutete über die Landschaft. Natalja beobachtete, wie Andrej Bogdans schwarze Lederpeitsche in der Hand wog, dann den Riemen probeweise durch die Luft pfeifen ließ, und sie zog seine Jacke fester um ihren Körper. Plötzlich wurde ihr bewusst, wie sehr sie auf Andrejs Schutz angewiesen war, und sie bereute, so unfreundlich zu ihm gewesen zu sein. Hatte er sich nicht immer für sie eingesetzt? War er nicht auch jetzt bereit, um sie zu kämpfen? Doch gleich darauf dachte sie daran, dass er wohl einfach nur seinen Besitz verteidigte. Hatte er sie nicht gekauft wie eine Leibeigene? Er wäre vermutlich auch für ein Säckchen Bernstein oder eine Handvoll Rubelscheine in den Kampf gezogen.
Trotzdem verfolgte sie jetzt aufgeregt die Vorbereitungen für das bevorstehende Duell. Die beiden Männer entblößten den Oberkörper, legten alle Waffen bis auf die Peitsche ab und stiegen auf ihre Pferde. Dann ritten sie Seite an Seite auf eine weite Grasfläche zu, die sich längs des Flüsschens bis zum Waldrand ausdehnte.
Die Kosaken waren ihnen ein Stück nachgelaufen, um sich ja nichts von dem Kampf entgehen zu lassen, einige kletterten sogar auf das halb eingefallene Dach der Fischerhütte, um bessere Sicht zu haben. Auch Natalja erhob sich jetzt, die Jacke eng um die Schultern gezogen, und versuchte, die Reiter in der Ferne zu erkennen.
Andrej saß gut zu Pferd, seine kräftigen Schultern leuchteten hell im Abendlicht, das lockige, schwarze Haar wehte im Wind. Wasilij dagegen war schmal, dabei hochgeschossen und sehnig, er schien mit dem Rücken seines kleinen Pferdes verwachsen zu sein und ritt jetzt eine Strecke voraus, während Andrej sein Pferd angehalten hatte. Natalja begriff, dass die beiden aufeinander zureiten und dabei versuchen würden, den anderen mit Hilfe der Kantschu vom Pferd zu reißen. Plötzlich spürte sie, wie ihr Herz hämmerte, sie hatte Angst um Andrej.
Wasilij hatte inzwischen sein Pferd gewendet, er hob den Arm zum Zeichen, dass er bereit sei, und trieb sein Tier an. Die Kämpfer näherten sich in raschem Galopp, die hohen Grashalme bogen sich, als fege ein starker Wind über die Wiese, Natalja sah, wie sie die Peitschen zum Schlag erhoben, dann schrie sie auf. Wasilij hatte Andrej getroffen, während dessen Schlag danebengegangen war. Andrej blieb zwar im Sattel, doch Natalja glaubte, einen roten Striemen zu sehen, der sich schräg über seine Brust zog. Wilde Begeisterungsrufe erhoben sich unter den Zuschauern, die einen feuerten Wasilij an, die anderen hielten es mit Andrej. In der Ferne wendeten beide Kämpfer ihre Pferde und starteten zu einem neuen Angriff.
Dieses Mal ritt Andrej vornübergebeugt, entweder wollte er der Kantschu seines Gegners keine Angriffsfläche bieten, oder seine Verwundung machte ihm zu schaffen. Natalja hielt den Atem an, als Pferde und Reiter dicht aneinander
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