Die Geliebte des Kosaken
kaum, wie die frischen Wunden der Kantschu brannten. Erst spät, als der Mond schon hoch am Himmel stand, fiel er in einen unruhigen, fiebrigen Schlummer.
Man hatte den kleinen Kondralin zur dritten Wache bestimmt, doch der hatte sich bequem mit dem Rücken gegen die Holzwand der Hütte gelehnt und war dabei ein wenig eingenickt.
Ein leises Geräusch am Flussufer ließ die Pferde schnauben, kleine Steinchen knirschten, eine Gestalt duckte sich in die Böschung hinein, um im Mondschatten nicht bemerkt zu werden. Der nächtliche Besucher lag eine Weile still, beobachtete aufmerksam jeden Einzelnen der Schlafenden, erhob sich dann und schlüpfte gewandt wie ein Wiesel in die Fischerhütte hinein.
Kondralin hustete, erwachte und warf forschende Blicke um sich, doch im schwachen Mondlicht erkannte er nur die schwarzen Silhouetten der schlafenden Kameraden, die wie große Steine um ihn verstreut lagen, und das schwache Glitzern des Flusswassers.
Der getreue Wächter überlegte, ob er Stenka wecken sollte, der die letzte Wache hatte, sah zweifelnd zum Mond hinauf und prüfte, ob über dem Horizont gar schon ein heller Schein aufgegangen war. Doch nichts dergleichen zeigte sich, also lehnte er resigniert den Kopf an die Holzwand und faltete die Hände über dem Bäuchlein.
Da erklang hinter ihm plötzlich ein gefährliches Knarren, wie wenn sich ein starker Balken biegt, ein Krachen und Splittern folgte, dann der Schrei eines Mannes. Die Kosaken fuhren wie der Blitz aus dem Tiefschlaf empor, griffen instinktiv zu ihren Waffen und starrten jetzt mit großen Augen auf die Hütte. Staub war zu riechen, frisch geborstenes Holz, im blassen Mondlicht erschienen die Umrisse des Gebäudes merkwürdig niedrig.
„Verflucht – das Dach ist eingestürzt!“, hörte man Bogdans heisere Stimme. „Was für ein Glück, dass keiner von uns in der Hütte war.“
„Und wer hat dann gerufen?“, ließ sich Stenka vernehmen. „Ich habe jemanden schreien hören.“
„Ich auch!“
Die Kosaken scharten sich zusammen, und man stellte fest, dass keiner der Kameraden fehlte, auch war niemand verletzt. Wer also hatte da gebrüllt?
Andrej hatte sich ebenfalls erhoben, während Natalja auf ihrem Schlafplatz hockte und sich die Augen wischte.
„Vielleicht haust ein Gespenst in der Hütte“, meinte Stenka mit bebender Stimme, „wie kann ein Häuschen so plötzlich ohne Grund einstürzen und schreien wie ein Mensch?“
„Habt ja genug auf dem Dach herumgepoltert, als Andrej mit Wasilij gekämpft hat“, bemerkte Bogdan, der nur selten an Geister glaubte.
„Vielleicht hat ja ein Tier geschrien.“
„Unsinn, es war ein Mensch. Sehen wir nach.“
„Es ist zu dunkel“, jammerte Stenka.
„Dann machen wir das Feuer wieder an, ihr feigen Kerle!“, rief Bogdan und kniete nieder, um trockene Äste in die Glut zu schieben.
Im Nu flackerte ein helles Flämmchen empor, an dem man ein paar dürre Stöcke anzündete, um sie als Fackeln zu benutzen. Sie näherten sich der Hütte und stellten fest, dass das Dach tatsächlich vollkommen nach innen eingestürzt war. Der Tragebalken, der es in der Mitte des Raumes stützte, musste umgeknickt sein.
„Meine Sachen sind dort drinnen“, jammerte Stenka und begann, die herabgefallenen Bretter wegzuräumen. Auch andere hatten ihren Anteil am Diebesgut in die Hütte geräumt und wühlten jetzt in den Trümmern herum.
„He, Bogdan!“, brüllte plötzlich der kleine Kondralin. „Schau dir das einmal an.“
„Was gibt’s denn?“
„Da liegt ein Toter. Gleich unter dem Balken.“
„Ein Toter, sagst du?“
Bogdan griff einen brennenden Zweig aus dem Feuer und stiefelte über den Schutt. Als er die Stelle beleuchtete, an der Kondralin gewühlt hatte, erkannte er das blutverschmierte Gesicht eines unbekannten Mannes mit rötlichen Haarkoteletten.
„Wie kommt der in die Hütte hinein?“, staunte Wasilij.
„Nun, wird hineingestiegen sein, das Bürschchen“, vermutete Bogdan, „wollte wohl unsere Waren stehlen und ist dabei an den Stützbalken gestoßen.“
„Hat seinen Lohn erhalten, der Langfinger!“, meinte Kondralin zufrieden.
Gleich darauf erhielt er einen kräftigen Rippenstoß und taumelte zurück.
„Ein schöner Wächter bist du“, raunzte Stenka, „wenn der heilige Nepomuk uns nicht geholfen hätte, wären wir jetzt arm.“
Andrej war ebenfalls hinübergeklettert, und als er im unsteten Schein des brennenden Zweiges auf das Gesicht des Mannes sah, begriff er,
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