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Die Geliebte des Kosaken

Die Geliebte des Kosaken

Titel: Die Geliebte des Kosaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan McFadden
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hatte er ganz sicher einige ordentliche Prellungen und Blutergüsse beim Einsturz der Hütte erlitten.
    Andrej drehte den Kopf, um die aufdringlichen Mücken zu verscheuchen, und bemühte sich trotz der verzweifelten Lage, die Ruhe zu bewahren. Er spannte alle Muskeln an, prüfte die Fesseln sorgfältig und stellte fest, dass es möglich war, den Riemen gegen den Stein zu reiben, wenn er sich mit dem Oberkörper hin- und herbewegte. Es war eine mühsame Angelegenheit, denn nicht nur die harten Riemen bereiteten heftige Schmerzen, er spürte jetzt auch die Wunden, die Wasilijs Kantschu ihm gestern beigebracht hatte.
    „Wir sind verloren“, stöhnte Sergej durch die zusammengebissenen Zähne, „ohne Wasser halten wir nicht lange durch. Wir werden jämmerlich verdursten, und die Mücken werden uns fressen.“
    Andrej gab keine Antwort. Die Mücken waren zwar lästig, aber noch das kleinste Problem. Unangenehm würde es erst am frühen Abend werden, wenn sich Wölfe oder Bären auf die Lichtung wagten und feststellten, dass hier zwei wehrlose Opfer lagen. Wenn es ihnen bis dahin nicht gelang, die Fesseln loszuwerden, würden sie einen Festschmaus für die Herren des Waldes abgeben.
    Vermutlich war diese Tatsache auch Sergej inzwischen bewusst geworden, denn er begann wie ein Wahnsinniger, an seinen Fesseln zu zerren, jedoch mit dem einzigen Erfolg, dass er nach kurzer Zeit ermattet zurücksank und zu schluchzen begann. „Hilfe! So helft mir doch, um Gottes willen!“
    „Halts Maul“, schnauzte Andrej, „du verschwendest deine Kraft, hier hört uns niemand.“
    Sergej stieß einen gotteslästerlichen Fluch aus. „Du bist an allem schuld, dreckiger Verräter. Hättest du dich mit Ossip und mir zusammengetan, dann säßen wir jetzt nicht im Elend, sondern würden mit dem Goldschatz beladen nach Persien reiten. Wenn ich noch einen Wunsch auf Erden frei hätte, dann wünschte ich mir, dass du dein elendes Leben vor mir aushauchen wirst, damit ich dabei zusehen kann, wie die Bären deine Knochen fressen …“
    Andrej ließ ihn reden und schabte den Riemen unverdrossen gegen den Stein. Der Erfolg war gering, die Anstrengung dafür riesig, so dass er immer wieder erschöpft innehalten musste. Resigniert sah er ein, dass er es auf diese Weise bis zum Abend auf keinen Fall schaffen konnte.
    Die Mücken feierten Orgien auf ihren Gesichtern und allen anderen ungeschützten Körperstellen. Dazu hatten sich andere Interessenten angefunden, die erste Ameise kroch über Andrejs Bein, und er wusste, dass diese fleißige Botschafterin in Kürze den Rest ihres Stammes alarmieren würde. Vielleicht hatte Sergej ja doch recht, und die Insekten würden schneller als alle anderen Waldbewohner sein.
    Er biss die Zähne zusammen und versuchte, die beängstigenden Vorstellungen nicht aufkommen zu lassen, aber es war unmöglich. Was würde mit Natalja geschehen? Man hatte ihr die Hände gebunden, sie war den Kosaken hilflos ausgeliefert. Wilde Phantasien schossen ihm durch den Kopf, er kannte Bogdan nur zu gut. Er würde sie vermutlich zuerst für sich allein haben wollen, schon deshalb, weil Natalja etwas Besonderes war und er gierig darauf lauerte, ihren Widerstand zu brechen. Andrej stöhnte in unbändiger Verzweiflung. Bogdan würde sie nehmen, sich mit ihr einige Male vergnügen und sie dann an seine Freunde weiterreichen. Würde Natalja das ertragen? Er kannte sie inzwischen gut genug, um zu wissen, dass sie ihrem Leben ein Ende setzen würde, um dieser Schande zu entgehen.
    Wieder begann er, den Riemen gegen den Stein zu reiben, jetzt heftiger als zuvor und mit wütender Entschlossenheit. Wollte dieser verdammte Strick denn überhaupt nicht reißen? Nein, die Kosaken hatten gute, neue Lederriemen verwendet, denen ein von Regen und Wind geglätteter Steinblock nicht viel anhaben konnte.
    Sergej hatte inzwischen angefangen zu beten, und Andrej staunte darüber, wie viele altkirchenslawische Texte der Gauner und Spitzel doch in seinem Gedächtnis bewahrt hatte. Dann fiel ihm plötzlich ein, dass es noch eine schwache Hoffnung gab.
    „Was ist mit deinem Freund?“, rief er hinüber. „Wird er nach dir suchen?“
    Sergej gab keine Antwort. Das konnte gut oder auch schlecht sein. Wenigstens hörte er jetzt auf zu beten und lag still, während Andrej weiterarbeitete und dabei die Qualität der Lederriemen und den glatten Stein verfluchte. Sein Mund war staubtrocken, er hätte seine Seligkeit für einen Schluck Wasser verkauft, aber

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