Die Geliebte des Kosaken
selbst hob sie wieder auf ihr Pferd, denn das Aufsteigen mit gebundenen Händen war schwierig.
„Wozu bindet ihr mir die Hände?“, beschwerte sie sich. „Habt ihr Angst, dass ich euch davonreite?“
„Schone deine Krallen für den Abend, Kätzchen“, höhnte Bogdan und trieb sein Pferd an, um der Gruppe vorauszureiten. Natalja spürte die begierigen Blicke, die sie von allen Seiten trafen. Wahrscheinlich rechnete sich jeder schon aus, was er mit ihr anstellen wollte, wenn sie erst an ihn weitergereicht war. Plötzlich erschienen vor ihr wieder Andrejs blaue Augen, und sie erinnerte sich an jenen Blick, mit dem er sie verabschiedet hatte: „Ich liebe dich – sei mutig und kämpfe, auch wenn ich nicht bei dir sein kann.“
Sie begann, Pläne zu schmieden. Jeder Einzelne dieser Männer war ihr körperlich weit überlegen, aber die Kosaken waren einfache Kerle, aufbrausend in ihrem Zorn und dann wieder gutgläubig und albern wie die Kinder. Es musste einen Weg geben, diese Bande zu überlisten. Sie grübelte vor sich hin, während rechts und links die Zweige gegen ihre Jacke schlugen und der Braune Mühe hatte, seine Hufe zwischen die knotigen Baumwurzeln zu setzen, die sich über den Pfad zogen.
Es ging um einen Goldschatz, so viel hatte sie inzwischen begriffen. Oleg sollte angeblich wissen, wo sich dieses Gold befand – das konnte nur ein Missverständnis oder boshafte Verleumdung sein. Wie, wenn sie den Kosaken eröffnete, dass sie, Natalja, Olegs Braut, wusste, wo der Schatz versteckt war? Wenn sie versprach, die Kosaken dorthin zu führen unter der Bedingung, dass man sie unangetastet ließe?
Sie zweifelte, ob dieser Plan durchführbar war, denn sie wusste so gut wie nichts über diesen dubiosen Schatz. Man würde sicher nachfragen – nein, sie musste sich etwas anderes einfallen lassen …
Jetzt endlich schimmerte Licht durch die Bäume, man hatte das Ufer eines breiten Flusses erreicht, und in der Ferne waren Gebäude zu erkennen. Das war kein Bauerndorf, denn zwischen den Häusern erhoben sich die Kuppeln der Kirchtürme, eine Brücke führte über den Fluss, es war sogar eine kleine Festung zu erkennen.
„He Bogdan!“, rief Stenka. „Lass uns nach Wjatka hineinreiten und uns ein wenig Spaß gönnen.“
Der Vorschlag gefiel auch den anderen, im Nu stieg die Laune wieder an, und die Augen der Kosaken leuchteten. Ja, ein paar Gläschen trinken, gefüllte Küchlein essen, ein Mädelchen suchen …“
„Sind lange genug im Wald herumgeritten!“
Bogdan hatte vorgehabt, über die Brücke zu reiten, um nicht mühsam eine Furt suchen zu müssen. An einen Aufenthalt in Wjatka hatte er nicht gedacht, er wollte auf schnellstem Weg nach Perm. „Wollt ihr euch etwa in der Stadt besaufen und die Sachen hier unbewacht lassen?“
„Unsinn!“ Stenka war nicht von seiner Idee abzubringen, und auch die anderen hatten wenig Lust, auf Bogdans Einwand zu hören. „Wir werden es verstecken und Wachen aufstellen. Jeder nimmt nur so viel mit sich, wie er in der Stadt ausgeben will.“
„Wozu schleppen wir das Zeug mit uns herum, wenn wir nichts davon haben.“
Bogdan sah ein, dass er nachgeben musste. Die Kerle trugen ihm die Sache mit Andrej nach, wenn er ihnen jetzt zusätzlich noch den Spaß verdarb, konnte es passieren, dass die gute Stimmung schnell umschlug. Knurrend fügte er sich, ordnete an, dass man zuerst ein Versteck für die Nacht finden müsse und dann jeder seiner Wege gehen könne.
Hier am Flussufer war es zu gefährlich, denn es führte ein Fahrweg am Ufer entlang, den Reisende und Kaufleute benutzten. Sie ritten also eine gute Strecke zurück in den Wald und fanden auf einer kleinen Lichtung endlich den passenden Lagerplatz. Es war spät geworden, die Schatten der Bäume zogen sich lang und lagen wie schwarze Gitterstäbe auf dem hellen Gras der Lichtung.
Die Kosaken hatten es eilig. Hastig lud man die Lasten von den Packpferden, stritt ein wenig herum, denn nun zeigte sich, dass die kleinen Dinge, wie Silbergegenstände oder Bernstein, nützlicher als die großen Stoffballen waren, dann bestiegen die Männer wieder ihre Pferde und ritten voller Tatendrang davon. Niemand wunderte sich darüber, dass Bogdan sie nicht begleitete, sondern freiwillig als Wache bei den Waren zurückblieb. Nun, der hatte ja alles, was er brauchte.
Bogdan ließ sich Zeit. Er lief herum, um trockenes Holz für ein Feuer zu sammeln, und beobachtete dabei aus den Augenwinkeln, wie Natalja von ihrem Pferd
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