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Die Geliebte des Malers

Die Geliebte des Malers

Titel: Die Geliebte des Malers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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die verschlungenen Wege des Schicksals. Es war noch keine vierundzwanzig Stunden her, dass sie genau vor dieser Kabine gestanden hatte, den Arm voll abgelehnter Kleider. An Colin Sullivan hätte sie da noch nie im Leben gedacht. Jetzt schien er ihre gesamte Gedankenwelt zu beherrschen und ihre weiteren Schritte zu bestimmen. Die glatte kühle Seide rutschte nur an ihrer Haut herunter, weil er es so wollte. Als sie daran dachte, dass er vor der Kabine stand und ungeduldig darauf wartete, das Resultat zu sehen, beschleunigte sich ihr Puls ein wenig. Cassidy zog den Reißverschluss zu und drehte sich zum Spiegel um. Ihr Konterfei sah ihr mit ehrfurchtsvollem Erstaunen entgegen.
    Das hochgeschlossene Kleid fiel in einer geraden Linie an ihr herab, das weiche Material schmiegte sich fließend um ihre Figur. Der feine Stoff des langärmeligen Kleides ließ eine Ahnung ihrer Arme und Schultern hervorschimmern. Ihr Haar flammte schier auf vor Leben im Kontrast zu der zarten Farbe des Kleides. Cassidy ließ langsam die Luft aus den Lungen entweichen. Es war ein Traum von einem Kleid, edel wie der Stoff, ästhetisch wie die schlichte Linie. In diesem Kleid sah Cassidy nicht nur elegant und weiblich aus, sie fühlte sich auch so. Nervös befeuchtete sie sich mit der Zungenspitze die Lippen, bevor sie die Tür aufzog und aus der Kabine heraustrat.
    Colin ließ seinen ganzen Charme spielen. Dass die kühle, elegante Julia tatsächlich rot werden konnte wie ein Teenager, zauberte ein Lächeln auf Cassidys Lippen. Sie riss sich zusammen, um nicht zu kichern, und setzte eine gefasste Miene auf. Dennoch zuckte es noch immer um ihre Mundwinkel.
    »Colin.«
    Er drehte sich zu ihr um. Sein Lächeln erstarb, das Funkeln in seinen Augen erlosch. Er ließ Julias Hand los, auf die er eben noch einen galanten Kuss gedrückt hatte, und machte einige Schritte auf Cassidy zu. Er blieb in der Mitte des Ladens stehen, sodass mehrere Meter Abstand zwischen ihnen lagen. Cassidy hatte sich eigentlich darauf eingestellt, sich grinsend vor Colin um die eigene Achse zu drehen, damit er sie begutachten konnte. Doch jetzt stand sie regungslos da, wie hypnotisiert von seinem Blick.
    Sehr langsam ließ Colin seine Augen von ihrem Gesicht an der gesamten Länge ihrer Gestalt hinunterwandern, um dann ebenso langsam den Blick wieder zu ihrem Gesicht zu heben. Cassidys Wangen begannen zu brennen, in ihr tobten die unterschiedlichsten Gefühle. Wie machte er das nur? Wie schaffte er es, sie sich allein mit einem Blick so lebendig und voller Energie fühlen zu lassen und gleichzeitig so nervös? Sie wollte etwas sagen, wollte den Bann brechen, doch weder ihr Verstand noch ihre Zunge wollten ihr gehorchen. Alles, was sie tun konnte, war, seinen Namen zu wiederholen.
    »Colin.« In dem einen Wort lag die Andeutung einer Einladung, eine Frage, von der sie selbst nicht wusste, dass sie sie stellte und wonach sie damit fragte.
    Etwas flackerte in seinen Augen auf und war ebenso schnell wieder verschwunden. Konzentration wurde durch Irritation ersetzt, und als er sprach, klangen seine Stimme barsch und die Worte kurz angebunden.
    »Das passt. Lassen Sie es einpacken und bringen Sie es morgen mit. Dann fangen wir an.«
    Hunderte von Fragen und Hunderte von Erwiderungen wirbelten Cassidy durch den Kopf. Aber Colins Ton kratzte an ihrem Stolz, und so klang ihre Stimme kühl, als sie sagte: »Ist das alles?«
    »Das ist alles.« Ungeduld und Ärger waren nicht zu überhören. »Morgen früh um neun. Und seien Sie dieses Mal pünktlich.«
    Cassidy atmete tief ein und aus. In diesem Moment fühlte sie nichts als Abneigung für diesen Mann. Einen Augenblick lang maßen sie sich mit Blicken. Die Luft schien plötzlich wie elektrisch aufgeladen, mit feindseliger Spannung und noch etwas anderem, das nicht zu fassen war.
    Dann drehte Cassidy sich auf dem Absatz um und ging zurück in die Umkleidekabine.

3. K APITEL
    Die Nacht nutzte Cassidy hauptsächlich dazu, um mit sich ins Gericht zu gehen und sich selbst ins Gewissen zu reden. Am Morgen hatte sie schließlich das beruhigende Gefühl, sich fest im Griff zu haben.
    Es gab nicht den geringsten Grund, warum sie verärgert über Colin sein sollte. Seine kurz angebundene, unpersönliche Reaktion auf das Kleid war völlig normal und zu erwarten gewesen. In der Straßenbahn, auf dem Weg zu seinem Atelier, klemmte sie die Schachtel mit dem Kleid unter den anderen Arm und wiederholte in Gedanken ihren festen Entschluss, Colin

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