Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geliebte des Malers

Die Geliebte des Malers

Titel: Die Geliebte des Malers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
Vom Netzwerk:
dabei war die Kleine so hübsch – Haut wie Milch und Sahne und die großen dunklen Augen einer Zigeunerin. Verständlicherweise wurde Colin zum Schluss richtig garstig zu ihr. Er neigt nun mal dazu, wenn ihn jemand festnageln will. Aber es gibt ja auch nichts Schlimmeres als jemanden, der einen ständig mit feuchten Augen anhimmelt, nicht wahr?«
    »Das kann ich nicht beurteilen«, behauptete Cassidy gelassen. »Aber Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Ich werde Colin ganz bestimmt nicht anhimmeln. Er braucht ein Gesicht, ich brauche einen Job, so einfach ist das.« Sie hielt einen Moment inne und überlegte. Wahrscheinlich war es das Beste, es von vornherein zu klären. »Ich werde Ihnen keine Schwierigkeiten machen, Gail. Ich bin nämlich viel zu beschäftigt. Ich habe gar keine Zeit, um mich auf eine Affäre mit Colin einzulassen.«
    Gail unterbrach ihr Auf- und Abmarschieren, blieb stehen und schaute mit einem abschätzenden Stirnrunzeln zu Cassidy hin. Dann glättete sich ihre Stirn, und sie eilte mit energischen Schritten zur Tür. »Nun, das vereinfacht die Dinge natürlich, nicht wahr? Sie können sich da drinnen umziehen.« Sie deutete noch mit dem ausgestreckten Arm auf eine Tür am anderen Ende des Raumes und war keine Sekunde später verschwunden.
    Kopfschüttelnd holte Cassidy erst einmal tief Luft. Künstler! Die waren alle irgendwie verrückt! Mit einem Achselzucken schüttelte sie die unschöne Szene ab und ging zu der Tür, auf die Gail gedeutet hatte. Dahinter lag ein kleines Umkleidezimmer. Cassidy verschloss die Tür hinter sich und begann sich umzuziehen. Wie schon in der Boutique, fühlte sie sich anders, sobald sie das Kleid überstreifte. Vielleicht, so mutmaßte sie, als sie sich das Haar kämmte, war es das Gefühl von feiner Seide auf der Haut. Oder es lag an der Eleganz von klarer Linie und dezenter Farbe. Oder war der Grund darin zu finden, dass sie nun das Bild verkörperte, das Colin von ihr hatte?
    Was auch immer der Grund sein mochte, sie konnte nicht verneinen, dass sie sich besser fühlte, wenn sie das Kleid trug – irgendwie lebendiger, bewusster. Mehr als Frau.
    Sie warf einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel, schloss die Tür auf und trat zurück ins Atelier.
    »Oh, Sie sind da.« Es war eine wenig geistreiche Bemerkung, die ihr entschlüpfte, als sie Colin vor einer leeren Leinwand stehen sah. Er stand im Profil zu ihr und drehte sich nicht um, als sie den großen Raum betrat. Die Hände in die Hosentaschen gesteckt, stand er regungslos da. Eine Studie in Schwarz und Weiß, die enorme Energie ausstrahlte. Diese Energie war eisern gezügelt und wartete darauf, endlich freizukommen.
    Colin war lässig gekleidet, so wie Cassidy es inzwischen bei ihm kannte. Dieser Stil passte perfekt zu seiner Statur mit den langen Gliedmaßen. Das Gesicht hatte er grüblerisch verzogen, die Brauen zusammengedrückt, die Augen zu schmalen Schlitzen verengt, nicht die geringste Spur eines Lächelns auf seinem Mund. Cassidy schoss der Gedanke durch den Kopf, dass Colin ein ungewöhnlich attraktiver Mann war. Und dass es anstrengend wäre, tiefere Gefühle für diesen einschüchternden Mann zu empfinden. Sie blieb reglos auf der Stelle stehen, an der sie stand, ungewiss, ob er sie überhaupt gehört hatte.
    »Ich werde direkt auf die Leinwand malen«, sagte er. Noch immer drehte er sich nicht zu ihr um, so als hätte er ihre Anwesenheit gar nicht bemerkt. »Da liegen Veilchen auf dem Tisch.« Er zuckte mit einer Schulter. »Sie passen zur Farbe Ihrer Augen.«
    Cassidy wandte den Kopf zum Tisch und suchte mit dem Blick zwischen dem Durcheinander von verstreuten Künstlerutensilien, bis sie das kleine Sträußchen sah. »Oh, die sind hübsch!« Sie ging hinüber, nahm den Strauß auf und schnupperte daran. Der Duft war so süß und zart. Bezaubert schickte Cassidy ein Lächeln in Colins Richtung.
    Doch der war völlig versunken in seine Planung. »Das Kleid braucht einen Farbtupfer«, murmelte er. Weder sah er zu Cassidy hin noch veränderte sich seine düstere Miene.
    Die Freude auf ihrem Gesicht erstarb, und mit einem Seufzer starrte sie auf die zarten Blüten. Es war ihr Fehler. Er hatte die Veilchen nicht für sie besorgt, sondern für das Bild. Wie dumm von ihr, sich etwas anderes einzubilden! Warum sollte er ihr auch Blumen schenken!
    Sie schüttelte leicht den Kopf über sich und trat mit einem zerknirschten Lächeln an seine Seite. »Sehen Sie mich schon dort? Auf der leeren

Weitere Kostenlose Bücher