Die Geliebte des Normannen
neidisch – und er hatte kein Recht auf solche Gefühle.
Hatte er seine Wahl nicht überlegt getroffen?
Geoffrey ging zwischen den Hofnarren hindurch, die ihre Kunststücke vorführten, vorbei an den tanzenden Mädchen, und wäre fast über ein dressiertes Hündchen gestolpert. Er fand eine leere Ecke, etwas vom Trubel der Festlichkeiten entfernt. Die Schulter an die Wand gelehnt, wanderte sein Blick nach einiger Zeit wieder zum Brautpaar zurück. Stephen flüsterte Mary etwas ins Ohr. Sie errötete und warf ihrem Gemahl einen überaus kecken Blick zu.
Geoffreys Brust schmerzte.
Wie würde es sein, eine solche Gemahlin zu haben?
Er zwang sich wegzusehen, zornig auf sich selbst, und schaute den tanzenden Mädchen zu. Sie provozierten und neckten. Er fand sie attraktiv, wie jeder Mann; sie waren spärlich bekleidet, dunkelhäutig, exotisch. Dann sah er plötzlich, wie sich Adele Beaufort von ihrem Platz erhob, und verlor das Interesse an den tanzenden Mädchen. Als sich Adele in die Menge der Tanzenden begab, verlor er sie kurz aus den Augen.
Ein einziger Nachmittag konnte nicht die vielen Monate der Enthaltsamkeit wettmachen. Doch wenn er es wagte, die Qual, die er mit sich herumschleppte, zu benennen, würde er womöglich darauf kommen, dass die klaffende Wunde, die sein Rendezvous hinterlassen hatte, niemals durch sexuelle Maßlosigkeit geheilt werden konnte.
Geoffrey hasste sich nicht. Aber er verzweifelte. Seine weltlichen Neigungen waren noch immer mächtiger als seine gottgefälligen. Aber war das nicht immer so gewesen?
Von seinem dreizehnten Lebensjahr an war er für drei lange Jahre im Kloster gewesen, und als Novize hatte er unter anderem auch das Keuschheitsgelübde abgelegt. Aber er war jung und sein Blut heiß gewesen; er hatte es nicht geschafft, sich seinem Gelübde entsprechend zu verhalten – er wollte es nicht. Im Kloster gab es zum Glück keine Möglichkeiten, dem schönen Geschlecht nachzustellen, doch nachts, allein in seinem Bett, hatte er sich dem einsamsten, niedrigsten sexuellen Akt hingegeben, dem ein Mann frönen konnte. Und die wenigen Male, die er das Kloster im kirchlichen Auf trag verlassen hatte, immer mit Lanfranc, hatte er sich nachts davongestohlen und jeden Rock gelüftet, den er hatte finden können. Die daraus resultierende Schuld war ein schweres Kreuz zu tragen gewesen, und zudem war sich Geoffrey immer sicher, dass sein Mentor von seinen nächtlichen Exkursionen wusste. Doch Lanfranc hatte den Glauben an ihn nie verloren, und irgendwie hielt Geoffrey auch selbst den Glauben an sich aufrecht.
Inzwischen verfügte er über die Willenskraft eines Mannes, die wesentlich stärker war als die eines halbwüchsigen Jungen, und enthielt sich über lange Perioden. Bis sein fleischliches Verlangen sämtliche gottgefälligen Vorsätze überrannte. Aber – er war noch nicht zum Priester geweiht. Die meisten Erzdiakone waren geweihte Priester. Erst recht natürlich alle Bischöfe, auch wenn die Weihe nicht mehr war als ein feierlicher Akt.
Wenn eine solche Ernennung kam, würde ein lebenslanger Ehrgeiz von ihm befriedigt.
Wenn eine solche Ernennung kam, würde es kein Zurück mehr geben.
Er hatte die Priesterweihe hinausgezögert, weil er wusste, wenn er die dazu gehörigen Gelübde ablegte, wenn er ein Stellvertreter Gottes auf Erden wurde, dann war für ihn ein Leben in Enthaltsamkeit unabdingbar. Im Gegensatz zu anderen Kirchenmännern, die Gelübde ablegten und dann brachen – manchmal in einem Atemzug –, konnte und wollte er dies nicht tun.
Er war zu diesem letzten Schritt, zu dieser letzten Verpflichtung nicht bereit. Vielleicht würde er nie dazu bereit sein. Oder vielleicht hatte er Angst vor einem derartigen Gelübde, Angst, dass er letztendlich vor Gott und sich selbst fehlen würde.
Wie alle de Warennes konnte auch Geoffrey ein Scheitern nicht tolerieren. Es war nicht akzeptabel, unmöglich.
Er bemerkte, dass Adele den Saal verließ. Er befahl sich, zum Tisch zurückzukehren. Wohin sie ging – oder auch zu wem –, hatte ihn nicht zu interessieren.
Aber er fühlte einen Schmerz, einen Schmerz in seiner Brust, den er mit dem Verlangen in seinen Lenden vereinen wollte. Er folgte ihr.
Weit musste er nicht gehen. Am Treppenabsatz unterhalb des Saals fand er sie, wie sie zum Fenster hinausblickte. Ihre Schultern bebten. Geoffrey war bestürzt, als er merkte, dass sie weinte. Er trat näher, bis er sie fast berührte.
»Lady Beaufort?«
Sie fuhr zusammen,
Weitere Kostenlose Bücher