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Die Geliebte des Normannen

Die Geliebte des Normannen

Titel: Die Geliebte des Normannen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Joyce
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und schien sie zu teilen.
    Adele befand sich nun schon seit einigen Monaten am Königshof, seit ihrem sechzehnten Geburtstag. Sie zog das Leben dort eindeutig der Langeweile im Zuhause ihres Stiefbruders im Herzen von Kent oder auf einem ihrer eigenen Güter vor.
    Derzeit residierte der Hof im Tower von London. Hier war immer etwas los; ständig trafen Neuankömmlinge ein, einige mit privaten Botschaften für den König, andere mit Petitionen und wieder andere, die sich einfach nur bei ihrem Herrscher beliebt machen wollten. Hier, inmitten von Vergnügen und festlichem Glanz, Intrigen und Skandalen, unter eleganten Höflingen und ihren juwelenbehängten Ladys, unter Kriegsherren und Kurtisanen, fühlte sich Adele zu Hause. Sie beabsichtigte, nach ihrer Hochzeit mit Stephen de Warenne die meiste Zeit bei Hofe zu verbringen.
    Wie gewöhnlich war sie von einer Schar von Bewunderern umringt. Ein Dutzend Männer, einige jung, einige alt, einige mächtig, einige nicht, buhlten um ihre Gunst. Sie wurde der amüsanten Anekdoten der Herren, der netten Schmeicheleien und des übertriebenen Flirtens selten müde. Wenn ihr danach war, bedachte sie ihre Favoriten mit einem Lächeln und einem verführerischen Blick. Doch Adele musste sich nicht schüchtern geben, um die Männer zu erregen. Keiner konnte ihrer dunklen, sinnlichen Schönheit widerstehen, und sie war sich dessen seit ihrem zwölften Geburtstag durchaus bewusst.
    Manchmal jedoch dachte sie, dass ihr Verlobter gegen ihre weiblichen Reize immun zu sein schien. Sie hatten genau dreimal miteinander gesprochen, aber Stephen de Warenne hatte nie mit ihr geflirtet oder ihr geschmeichelt, und wenn sie bei ihrem ersten Treffen nicht selbst gesehen hätte, wie er ihre vollen Brüste und ihre langen Beine bewunderte, hätte sie sich gefragt, ob sie ihm gleichgültig sei. Doch dieses eine Mal hatte sie beruhigt. Dennoch, wäre sie sich ihrer Wirkung nicht so sicher gewesen, sie würde denken, dass es ihn nicht nach ihr verlangte. Und das war unmöglich.
    Adele hielt ihren Fächer – ein persönliches Geschenk des Königs – vor das Gesicht, sodass nur noch ihre großen, dunklen Augen sichtbar waren, und wagte einen weiteren Blick auf den Erzdiakon von Canterbury. Sie spürte ihren heftigen Pulsschlag – am Hals, zwischen ihren Brüsten und zwischen den Beinen im Zentrum ihrer Weiblichkeit. Ihr Gesicht glühte; sie fächelte sich kühle Luft zu. Er erschien ihr als der beeindruckendste Mann, den sie je gesehen hatte, und das waren nicht eben wenige.
    O Gott, wie schön er war – das ovale Gesicht perfekt geschnitten, die Nase fein und gerade, die Augen durchdringend blau. Sein Kinn zeigte einen festen und entschlossenen Ausdruck, die hohen Wangenknochen traten hervor. Und er war leicht von der Sonne gebräunt, sodass seine Haut nicht pastellweiß leuchtete, sondern golden schimmerte. Adele fiel auf, dass alle Anwesenden ihn sofort bemerkten, als er den Saal betrat – sogar die Männer.
    Er war groß und offenbar schlank, mit breiten Schultern. Adele fragte sich, was sich unter der langen Robe wohl für ein Körper verbarg.
    Außerdem strahlte er Kraft und Stärke aus. Er schien kein nur seinen Gelüsten frönender, weichlicher, verdorbener und maßloser Prälat zu sein. Vielmehr zeugte seine Geschichte, die jeder kannte, mehr als alles andere von Entschlusskraft, scharfem Verstand und großem Ehrgeiz. Adele wusste, dass man ihn zur Erziehung mit Roger of Montgomery in das raue walisische Sumpfland geschickt hatte, lange bevor dieser Graf von Shrewsbury geworden war. Montgomery gehörte wie Rolfe de Warenne zu den fähigsten und mächtigsten Generäle König Wilhelms des Eroberers. Damals waren die beiden nicht Rivalen, sondern Freunde.
    Mit der Entscheidung, seinen zweiten Sohn nach Wales zu senden, hatte Rolfe offenbar bewusst ein Gebiet ausgewählt, das noch nicht erobert und von Zwist und Rebellion zerrissen war. Geoffrey ließ sich davon nicht abschrecken. Jeder wusste, dass er sich seine ersten Sporen schon mit dreizehn Jahren verdient hatte – um sie im selben Jahr wieder abzulegen und ins Kloster einzutreten.
    Dieser Gedanke ließ Adele erschaudern. Welcher Knabe traf eine solche Wahl?
    Seine Karriere war verblüffend gewesen, denn er wurde der Protegé des Erzbischofs von Canterbury, der vom Eroberer ernannt worden und ein weiterer Freund seines Vaters war. Aber er hätte nicht so schnell vorankommen können, wäre er nicht auch ein hervorragender Student gewesen.

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