Die Geliebte des Normannen
erinnert, dass er ihm mit gebeugtem Knie Gefolgschaft geschworen hat. Und Malcolm besitzt ein hitziges Temperament.«
»Sorge dich nicht. Wir werden sicherstellen, dass Malcolm und William Rufus nicht aneinandergeraten. Nichts darf diese Verbindung behindern. Rufus hat auch erklärt, Mary solle bis zur Hochzeit sein Gast am Hof sein.« »Weshalb denn das?«, fragte Stephen barsch. »Was will er damit erreichen oder beweisen? Will er sie gefangen halten, bis wir verheiratet sind?«
Stephen war aufgesprungen, seine Augen funkelten wild. »Reg dich nicht auf«, beruhigte ihn Rolfe, als Stephen begann, auf und ab zu laufen.
»Oder beabsichtigt er einen Verrat?«, fragte Stephen weiter. »Welches Spiel spielt er mit mir?«
Rolfe zögerte. Diese Frage brannte ihm seit zehn Jahren auf den Nägeln, aber er hatte es nie gewagt, sie zu stellen, weil er sich vor der Antwort fürchtete.
Doch Stephen war im Begriff zu heiraten. Und sie verbrachten so wenig Zeit zusammen. Vielleicht würde sich diese Gelegenheit nie wieder bieten.
»Stephen. Ich frage mich schon seit Jahren, warum du so sehr gegen Rufus eingenommen bist.«
Stephen sah ihn einfach an, seine Gedanken waren unergründlich. Der kurze Moment der Wildheit war wieder verflogen.
»Gibt es etwas, das ich wissen sollte? Etwas, das vielleicht in der Zeit geschah, in der du als Zögling am Hof seines Vaters warst?«
»Nein, Vater, es gibt nichts, was Ihr wissen solltet.«
Stephen sprach leise, aber mit festem Ton. Rolfe fühlte sich, als habe er eine satte Ohrfeige bekommen. Er machte sofort einen Rückzieher; schließlich war Stephen ein Mann und hatte jedes Recht auf eine Privatsphäre. Er fragte sich aber dennoch, ob Stephen sich ihm anvertraut hätte, wenn die Vergangenheit anders verlaufen wäre, wenn sie mehr Zeit zusammen gehabt hätten.
»Ich werde niemals zulassen, dass sie sich allein dort aufhält«, erklärte Stephen bestimmt. »Ich werde am Hof bei ihr bleiben.«
Rolfe wusste, dass Stephen nicht nur den König, sondern auch dessen ganzen Hofstaat verachtete. Nicht, dass er ihm das zum Vorwurf gemacht hätte; ein Mann konnte nur für eine gewisse Zeit pausenlos auf der Hut sein.
»Ich bin froh, dass du sie begleiten willst. Du und Mary, ihr könnt morgen sofort nach der Verlobung aufbrechen. Ich komme nach, sobald ich mich mit Malcolm bezüglich der Einzelheiten der Heirat geeinigt habe.«
»Habt keine Furcht, Vater. Bis wir verheiratet sind, werde ich sehr auf der Hut sein. Zu viele werden sonst versuchen, diese Allianz zu hintertreiben.«
Rolfe legte eine Hand auf Stephens Arm.
»Es könnte sich als vorteilhaft erweisen«, sagte er vertraulich, »sie so bald wie möglich zu schwängern, nur für den Fall, dass Probleme auftauchen.«
Stephen starrte ins Leere. Dann sagte er bestimmt: »Ich werde mich mit den Problemen befassen, die auftauchen. Aber Mary wird das Bett erst nach der Hochzeit mit mir teilen.«
Rolfe war verblüfft, doch er sprach klugerweise nicht weiter. Hier schien viel mehr im Gange zu sein, als auf den ersten Blick erkennbar war. Nie hätte er geglaubt, dass Stephen so von seiner Braut angetan sein würde. Er wandte sich ab, seine Freude verbergend.
11
»Es ist Euer Bruder, Sire, Prinz Henry. Er bittet um eine Audienz«, sagte der Wachmann.
Rufus blickte finster. Er war mit seinem Knappen allein in seinen Privatgemächern und damit beschäftigt, sich auf eine königliche Jagd vorzubereiten, die am Nachmittag stattfinden sollte.
»Ich habe jetzt keine Lust, meinen Bruder zu sehen.«
Die Tür zum königlichen Gemach wurde aufgestoßen. Prinz Henry stand auf der Schwelle, das Gesicht rot vor Zorn, hinter ihm zwei aschfahle Wachleute, die über diese Störung ihrer Majestät entsetzt waren.
Rufus funkelte seinen Bruder wütend an.
»Was soll das? Ich habe im Moment keine Zeit, mein lieber kleiner Bruder!«
»Dann nehmt sie Euch, Sire«, gab Henry zurück und schritt entschlossen in den Raum.
Er war groß und kräftig, wie es ihr Vater gewesen war, und überragte seinen Bruder um mehr als eine Handbreit. Im Gegensatz zu diesem, der ein knallrotes, mit Hermelin besetztes Obergewand und dazu passende Halbstiefel trug, war er in unterschiedlichen Grau- und Blautönen gekleidet, doch Tunika und Umhang waren von einem langen, anstrengenden Ritt stark verschmutzt.
»Mir ist ein Gerücht zu Ohren gekommen, das ich unmöglich für wahr halten kann.«
Rufus seufzte und schnippte mit den Fingern, woraufhin die drei Wachmänner
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