Die Geliebte des Normannen
fanden, unsere Familien zu vereinen?«
»Nein. Ich muss die Vereinbarungen kennen, unbedingt.« Stephen starrte sie unverwandt an. »Wisst ihr nicht mehr, dass wir darüber gestern gesprochen haben?«
Mary musste um Worte ringen, sie musste darum kämpfen, ihre Stimme zu festigen.
»Bitte, Mylord, ich möchte wissen, was mein Vater dadurch gewinnt, dass er Euch meine Hand gibt, abgesehen von«, sie schluckte, »von unserem Kind.«
Stephen schwieg. Sie fixierten sich gegenseitig, seine dunklen Augen trafen ihre tränenverschleierten. Schließlich sagte er ernst: »Mademoiselle, Ihr fragt nach politischen Angelegenheiten.«
»Es ist mir sehr wichtig.«
»Ich weiß, Mary. Ich weiß weit mehr, als Ihr denkt. Vertraut mir. Ich werde bald Euer Gemahl sein und dann für Euch sorgen; ich und niemand sonst. Malcolm hat der Allianz zugestimmt; belasst es dabei.«
»Das kann ich nicht«, flüsterte sie. »Ich muss genau wissen, was gesagt wurde.«
Stephen musterte sie und fragte dann sehr leise: »Wirst du als meine Gemahlin loyal zu mir stehen, Mary?«
Mary erstarrte. Sie wusste, dass sie darauf nur eines antworten durfte: ja. Ihr Herz schlug mit furchterregender Heftigkeit. Sie war nie eine Lügnerin gewesen und merkte, dass sie nicht lügen konnte. Nicht in dieser Angelegenheit, nicht ihm gegenüber.
Sie sagte nichts.
Seine Miene wurde düster, seine Worte waren bitter.
»Ich habe Euch soeben Treue versprochen. Ich habe versprochen, für Euch zu sorgen. Ihr aber bekennt Euch nicht zu Eurer Pflicht. Ihr versöhnt Euch nicht mit mir.«
Sie war gespalten. Stephen hatte etwas an sich, sie sah es in seinen Augen, das in ihr den Wunsch erweckte, ihm alles zu versprechen, was er wollte. Das war verrückt. Dann würde sie ihren Geist versklaven, und sie hatte sich geschworen, das nicht zuzulassen. Am Ende würde keine Heirat stehen – sie war sich dessen sicher.
Er hob ihr Kinn an.
»Werdet Ihr mich heiraten, mein Bett wärmen, meine Söhne austragen, meinen Haushalt führen und meine Leute pflegen, wenn sie krank sind? Werdet Ihr mir Trost und Hilfe spenden? Werdet Ihr mir treu sein?«
Mary wimmerte. In dieser Weise von ihm herausgefordert, war sie sich plötzlich ihrer Antwort nicht mehr sicher. Wie konnte das sein? Wo ihre Loyalität lag, war klar – sie hatte ihre Einstellung nicht geändert.
Seine Augen blitzten.
»Ich muss es wissen!«
Sie schüttelte den Kopf, ihre Augen begannen zu brennen.
»Schwört mir bei allem, was Euch heilig ist, schwört mir beim Leben Eures Vaters, dass Ihr Eure Pflichten mir gegenüber erfüllen werdet, wie ich sie genannt habe!«, befahl Stephen. »Schwört es jetzt!«
Mary sog heftig die Luft ein.
»Ich – ich kann nicht.«
Er ließ sie los. Sie bemerkte, dass er zitterte.
»Könnt Ihr mir Euer Wort nicht geben oder wollt Ihr es nicht?«
»Nein«, erwiderte Mary. »Ich kann es nicht.«
»Und Ihr wagt es, mich nach politischen Geheimnissen zu fragen«, sagte er eisig. »Ihr habt eine letzte Chance, Demoiselle.« Eine Ader pochte an seiner Schläfe. » Werdet Ihr loyal zu mir stehen, vom Anfang bis zum Ende und vor allem anderen?«
Sie wagte nicht zu antworten. Dennoch sagte sie: »Nein.« Seine Augen weiteten sich.
»Ich stehe loyal zu Schottland«, flüsterte Mary und bemerkte plötzlich, dass sie weinte. Das hasserfüllte Gesicht ihres Vaters kam ihr in den Sinn. Wie stolz würde er auf sie sein. Während sie abgewiesen wurde.
»Selbst nach unserer Hochzeit nicht?«
Mary betete, dass es niemals dazu käme.
»Nein, selbst nach unserer Hochzeit nicht.« Später an diesem Tag trafen der Graf und die Gräfin von Northumberland ein.
Mary war im Frauengemach, als sie von ihrer Ankunft erfuhr. Die Frauen eilten hinaus, um die Herrin von Alnwick zu begrüßen, allen voran Isobel, die vor Freude kreischte. Mary machte keine Anstalten, ihnen zu folgen; ihr Fehlen blieb unbemerkt. Sie saß allein im Zimmer, und ein Gefühl des Entsetzens machte sich in ihrer Brust breit. Sie hatte keine Lust, Stephens Eltern kennenzulernen, weder jetzt noch später.
Vor allem den Grafen wollte sie nicht treffen, der ein sehr persönlicher Feind ihres Vaters war.
Doch sie hatte keine Wahl. Etwas später, als sich der Tumult im Saal gelegt hatte, erschien eine Frau in der Tür. Mary hatte keinen Zweifel daran, dass es die Gräfin war, und stand unwillkürlich auf.
Stephens Mutter war eine hochgewachsene Frau, deren Alter sich nur schwer schätzen ließ. Sie besaß noch immer eine gute
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