Die Geliebte des Normannen
verschwanden und die Tür hinter sich schlossen.
Dann wandte er sich an seinen Pagen.
»Bring mir den roten Umhang, den mit Zobel gefütterten, und meinen rotgoldenen Hut.«
Der junge, hübsche Knabe kam dem Befehl unverzüglich nach.
»Sagt mir, dass es nicht stimmt«, fuhr Henry fort, das eigentlich gut aussehende Gesicht vor Wut verzerrt. »Sagt mir, dass Ihr der Verlobung zwischen Stephen de Warenne und Malcolm Canmores Tochter nicht zugestimmt habt!«
Rufus grinste.
»Eifersüchtig?«
Henry holte tief Luft und ballte die Fäuste.
»Seid Ihr übergeschnappt? Habt Ihr komplett den Verstand verloren? Dass Ihr Northumberland solche Macht geben wollt?«
»Macht, die unwiderruflich meine ist«, konterte Rufus. Sein Lächeln war verschwunden. Die harten Blicke der Brüder trafen sich. »De Warenne ist mir nun mehr denn je zu Dank verpflichtet.«
»Rolfe, ja. Aber der Sohn? Wir wissen doch alle, wie begeistert er von Euch ist, Bruder.« Nun spottete Henry, denn er kannte die geheimsten Träume seines Bruders sehr wohl.
Rufus' Gesicht wurde noch roter als sonst.
»Glaube nicht, dass ich Stephen de Warenne mit Samthandschuhen anfasse. Falls er sich als Verräter erweisen sollte, wird es ihm ergehen wie jedem anderen. Und er hat alles zu verlieren, im Gegensatz zu dir.«
Henry zügelte seine Wut; wie schon sein Vater, Wilhelm der Eroberer, war auch er für sein hitziges Temperament bekannt.
»Ihr eilt dem, was ich sagen will, voraus«, stieß er schließlich hervor. »Wer hat denn etwas von Verrat gesagt?«
Er zuckte mit den Schultern.
Rufus lächelte, erfreut über diesen kleinen Sieg.
»Sire«, fuhr Henry eisig fort, »Ihr müsst Euch über Euer Tun Gedanken machen. Es ist eine außerordentliche Torheit, Northumberland solche Macht zu geben. Vor allem, da alles Land, um das es geht, im Norden liegt. Bald wird Stephen an der Stelle seines Vaters regieren. Was, wenn er sich mit Schottland gegen Euch verbündet?«
Rufus' Gesicht lief erneut hochrot an.
»Oh? Denkst du plötzlich daran, meine Interessen zu schützen?«
Doch er begann sich zu fragen, ob er nicht einen Fehler begangen hatte.
»Jawohl.«
»Ha!« Henrys Antwort konnte Rufus kaum amüsieren, wussten sie doch beide, dass dieser zwar ein hervorragender Ritter und Befehlshaber, seine Loyalität jedoch durchaus fragwürdig war. Mehr als einmal hatte er sich mit ihrem ältesten Bruder Robert, dem Herzog der Normandie, gegen William Rufus verbündet. Indem er Bruder gegen Bruder ausspielte, hatte er sich in der Festungsstadt Domfront einen Stützpunkt geschaffen und war Graf der Halbinsel Cotentin geworden.
Seine wachsende Macht war für Rufus sowohl eine Hilfe als auch ein Hindernis, denn wenn der Preis hoch genug war, ließ sich Henry durchaus dazu bringen, loyal zu sein; auf exakt die gleiche Weise konnte er aber auch zum Gegenteil verlockt werden. Rufus war nicht dumm. Er verstand die Ambitionen seines Bruders bestens, und es ging dabei nicht um Geld.
Er ließ sich von dem Pagen in seinen Umhang helfen. »Hol mir noch die Rubinbrosche«, wies er ihn an und wandte sich dann wieder seinem Bruder zu.
»Ich schätze deine Loyalität«, sagte er schließlich.
Henry schwieg.
Rufus lächelte.
»Tatsächlich habe ich darüber nachgedacht, sie selbst zu heiraten; irgendwann muss ich ja auch eine Ehe schließen. Aber,« er seufzte dramatisch, »anscheinend konnte sich Stephen nicht zurückhalten. Sie ist womöglich von ihm schwanger.«
Henry blickte grimmig.
»Dieser Umstand hält mich natürlich davon ab, eine Heirat in Betracht zu ziehen, denn mein Erbe muss schließlich mein Kind sein.« Er musterte seinen Bruder. »Na komm schon, sei ehrlich, Henry. Du bist beunruhigt. Aber ist der Gedanke an meinen noch ungeborenen Erben der Grund oder die Verlobung deines Freundes? Bist du nicht gekommen, um mich zu bitten, die Prinzessin dir zu geben?«
Henry sagte nichts.
»Ich habe daran gedacht«, fuhr Rufus fort. »Schließlich bist du mein Bruder. Ein Prinz und eine Prinzessin passen perfekt zusammen, nicht wahr? Aber ich habe mich trotzdem für Northumberland entschieden. Ihn kenne ich.«
»Aber ich bin Euer Bruder«, hielt Henry dagegen. »Ihr könnt mir vertrauen.«
Rufus hob erstaunt eine Braue und konnte nicht umhin, einen weiteren Hieb auszuteilen.
«Vielleicht gebe ich dir Fitz-Alberts Tochter.«
Henrys Miene verdüsterte sich noch mehr.
»Sie ist die Tochter eines Barons mit nicht mehr als einer oder zwei Besitzungen!«
Rufus lachte
Weitere Kostenlose Bücher