Die Geliebte des Normannen
Feinde, Madame«, fuhr Mary im selben Ton fort.
»Es wurde eine Allianz geschlossen. Würdet Ihr Eurem Vater, Eurem König, den Gehorsam verweigern?«
Mary konnte nicht antworten; sie konnte nicht offenbaren, dass Heimtücke im Spiel war und ihre Loyalität nach wie vor Malcolm galt. Aber, lieber Gott, die Gräfin war von der Allianz ebenso sehr überzeugt wie ihr Sohn, und sie waren beide nicht gerade Einfaltspinsel. Ganz im Gegenteil; beide waren außerordentlich klug. Was, wenn sie recht hatten und sie im Unrecht war? Was dann?
Lieber Jesus, wenn es wirklich und wahrhaftig zur Heirat kam, was sollte sie dann tun?
Ungeduldig wartete der Graf von Northumberland auf seinen Erstgeborenen. Bei seiner Ankunft war Stephen nicht im Wohnturm gewesen. Doch der Vater kannte die Gewohnheiten seines Sohnes. Bis zum Mittagsmahl saß er mit seinem Verwalter zusammen und kümmerte sich um die Geschäfte. Danach pflegte er Dinge zu regeln, die er persönlich besorgen musste, sei es die Besichtigung der Güter eines Lehnsmannes oder der Drill seiner Ritter.
Rolfe war ungeduldig, denn er sah Stephen so selten. Tatsächlich schien es ihm, als seien ihre Wege, seit er ihn vor Jahren als Unterpfand an den Hof Wilhelms I. geschickt hatte, dazu bestimmt, auseinanderzulaufen anstatt zusammenzukommen. Während Stephens Zeit am Hof war Rolfe gezwungen gewesen, im Norden zu bleiben, Krieg zu führen und seine Grenzen zu sichern. Als Stephen dann nach Hause zurückkehrte, war Rolfe frei gewesen, selbst an den Königs hof zu gehen, um seine Interessen vor jenen zu schützen, die diesen gerne geschadet hätten.
Er seufzte. Er hatte nicht viel zu klagen, aber dass er zu wenig Zeit für seinen ältesten Sohn hatte, bedauerte er. Stephen betrat den Saal.
Rolfe sprang erfreut auf.
»Ich hätte kaum gedacht, dass wir uns das nächste Mal wegen deiner Hochzeit mit einer Prinzessin wiedersehen«, begrüßte er ihn.
Stephens ernste Miene verschwand.
»Rufus hat also zugestimmt?«
»Der König hat zugestimmt.«
Stephen strahlte.
»Ich schulde Euch großen Dank, Vater.«
Auch Rolfe fühlte sich bestens.
»Letztendlich hatte Rufus keine Wahl. Er muss die Normandie zurückgewinnen, und das weiß er. Bei seiner Entscheidung spielten wahrscheinlich viele geringfügige Beweggründe eine Rolle, einschließlich seines derzeitigen Missfallens an Roger Beaufort. Der im Übrigen wütend ist.«
»Daran zweifle ich nicht.« Die beiden Männer nahmen gemeinsam Platz.
»Zweifellos sind alle von dieser Allianz schockiert«, meinte Stephen. »Wie meine kleine Braut.« Er verzog das Gesicht zu einer leichten Grimasse.
»Eine widerspenstige Braut?«
»Das ist ziemlich milde ausgedrückt.«
»Und wie hast du Malcolms Zustimmung bekommen?« Stephen blickte seinem Vater direkt in die Augen.
»Er konnte nicht nein sagen. Nicht, als ich seinem größten Wunsch entsprach. Ich gelobte, seinem ältesten Sohn auf den Thron zu verhelfen.«
Rolfe musterte Stephen kritisch.
»Und wenn ich tot bin, wenn Rufus dich auffordert, ihn bei seinem Bemühen zu unterstützen, Duncan – den er auserwählt hat – auf den Thron zu setzen, was wirst du dann tun?«
»Ich bin immer sein treuer Vasall,« antwortete Stephen kühl. »Unabhängig davon, wie sehr ich ihn verachte.«
Es war das erste Mal, dass Stephen seine gemischten Gefühle für ihren König äußerte. Rolfe war überrascht. Jahrelang hatte er vermutet, dass Stephens Gefühle bezüglich Rufus tief wurzelten und sich gefragt, wie es wohl zu dieser Feindseligkeit gekommen war.
»Du lässt dich auf ein gefährliches Spiel ein«, warnte er seinen Sohn.
»Das weiß ich. Aber ich habe mir mein Angebot sorgfältig überlegt. Duncan ist viel zu schwach, um lange Zeit Schottlands König zu bleiben, und Edward ist jung. Seine Zeit wird kommen. Ich tat, was ich tun musste.«
»Ich tadle dich nicht«, sagte Rolfe und lächelte. »Du hast deine Sache gut gemacht, Stephen.«
Stephen grinste, offensichtlich erfreut über dieses Lob. »Danke, Vater.«
Rolfe fuhr mit seinem Bericht fort.
»Es gibt einige geringfügige Bedingungen. Rufus hat erklärt, dass die Hochzeit bei Hofe stattfinden muss.«
Stephen horchte auf. »Was ist das für ein Spiel?«
»Offenbar will er Malcolm dadurch demütigen, dass die Trauung dort vollzogen werden muss. Die Verlobung kann jedoch schon morgen hier erfolgen.«
Stephen nickte zufrieden. Dann sagte er: »Rufus wird zweifellos versuchen, Malcolm zu provozieren, indem er ihn daran
Weitere Kostenlose Bücher