Die Geliebte des Piraten
richtete sich auf. »Wiederhole das, und ich werde dich verprügeln.«
Ein herausforderndes Grinsen breitete sich auf Killgarens Gesicht aus. »Versuch es nur, alter Mann.«
»Alt? Bei Gott, du unverschämter Balg …«
Roarke lachte, leise und für sich. »Ach, wie nett ist es doch, einen Bruder zu haben.«
Das ließ Raiden innehalten. Er sah Killgaren an und fragte sich, warum er ihm ihre Verwandtschaft eigentlich verschwiegen hatte. Und er begriff, dass er es nicht aus Sorge um seinen Bruder, sondern aus Sorge um sich selbst getan hatte. Raiden hatte so die Distanz aufrecht erhalten, die es ihm möglich gemacht hatte, keinerlei Gefühle an sich heranzulassen. Es ist wirkungslos gewesen, dachte Raiden. Denn in dem Augenblick, in dem er Roarke so schwer verwundet gesehen hatte, war er vor Sorge um ihn fast verrückt geworden.
»Ja, das ist es«, bestätigte er rau und räusperte sich. »Aber das ist ein Thema, das wir auf später verschieben müssen. Du wolltest zum Kai – warum?«
»Ich habe die Männer sagen hören, dass sie sich damit beeilen müssten, mich umzubringen, damit sie die Persephone rechtzeitig erreichen, ehe sie die Anker lichtet.«
Raiden fluchte, griff nach seinem Navigationsbesteck und den Seekarten, die er auf dem großen Tisch ausbreitete. »Die Persephone lag im Hafen von Syriam. Kein Wunder also, dass Barkmon in der Stadt gewesen ist. Er war an Bord.«
»War Eastwick bei ihm? Was meinst du?«
»Das ist sehr gut möglich, aber ich denke, dass Barkmon sich irgendwo anders mit ihm getroffen hat. Und er hatte mehr Glück als Verstand, dass Willa ihm dort über den Weg gelaufen ist.« Er fuhr mit der Fingerspitze über die Karte aus dünnem Leder, da und dort hielt er dabei inne.
Roarke mühte sich hoch und schwang die Beine über die Bettkante.
Raiden schaute ihn besorgt an. »Hältst du das für klug?«
Roarkes Miene besagte, dass er sich nicht aufhalten lassen würde, sei es klug oder nicht. Sein Kopf fühlte sich an wie Brei und seine Beine zitterten. Gott, wie er diesen Zustand hasste.
»Wie lange bin ich schon an Bord?«, fragte Roarke.
»Fast drei Tage.«
Roarke war aufgestanden und klammerte sich am Bettpfosten fest, als ihm schwindlig wurde. »Dann müssen wir uns beeilen. Er kann sie sonst wohin gebracht haben.«
»Ich werde mich darum kümmern.«
Roarke schnaubte. »Seit wann ziehst du in die Schlacht, ohne dass ich dir den Rücken dabei freihalte, Bruder?«
Raiden lächelte leicht.
»Wer befehligt mein Schiff?«, fragte Killgaren.
»Du meinst mein Schiff.«
»Jetzt sprichst du vom Unterschied zwischen Äpfeln und Apfelmus.«
Raidens Blut pochte ihm in den Adern, und ein harter Knoten schnürte ihm die Kehle zu. Willa hatte das Gleiche gesagt, und mit diesen Worten kam die Erinnerung an ihren Ritt durch den Dschungel zurück. Wie sie sich dieser gefährlichen Situation gewachsen gezeigt hatte, wie herrlich weich sie sich in seinen Armen angefühlt hatte, wie sie sich an ihn geschmiegt hatte, als gehöre sie zu ihm. »Du hast Recht. Ich gebe dir die Sea Warrior. «
»Wie bitte?«
Raiden schaute auf und lächelte über die Fassungslosigkeit, die Roarke ins Gesicht geschrieben stand. »Sie gehört dir. Versenk sie, segle sie, verkauf sie. Es ist mir egal.«
»Vielen Dank, aber warum?«
Raiden wandte sich wieder seinen Karten zu. »Weil du, kleiner Bruder, eine Basis brauchen wirst, um dein neues Leben zu beginnen.«
Roarkes Haltung drückte Widerspruch aus. »Ich finde mein Leben genau richtig.«
»Mein Bruder ist kein Pirat, wenn er den Verstand zu mehr hat.«
Streitlust blitzte in Roarkes Augen auf. »Seit wir uns begegnet sind, versuchst du mir vorzuschreiben, was ich zu tun habe.«
»Das liegt daran, dass ich älter und klüger bin als du.« Er schaute von den Karten auf. »Und ich will, dass du lebst. Und zwar noch eine ganze Weile, nachdem ich nicht mehr sein werde.«
Nicht mehr sein werde. Gnädiger Gott, dachte Roarke und presste die Lippen zusammen, als er begriff. »Du bist hinter diesem Admiral Dunfee her, und du bist bereit zu sterben, um ihn ins Jenseits zu befördern!« Raidens Schweigen war beredter als jede Antwort. »Und was wird mit Willa?«
»Ich werde sie und ihren Sohn finden, und ich werde …«
»Sie zu deiner Witwe machen? Oder zu deiner Frau?«
»Sie wird niemals meine Frau sein. Sie soll nicht unter meiner Schande leiden müssen.«
»Als Bastard geboren zu werden, ist keine Schande. Die Schande ist, wie einer zu leben. Und es ist
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