Die Geliebte des Piraten
lachte. Sie glitt in seine Arme und küsste ihn. »Wann werden wir dort sein?«
»Morgen früh.« Er löste sich von ihr und lächelte Mason an, der an dem großen Tisch saß, und sein Essen herunterschlang. Raiden ging zur Kabinentür und öffnete sie. Als er zurückschaute, legte Mason seinen Löffel beiseite und lief ihm nach. Er schaute erst auf den Jungen, dann zu Willa.
Sie zuckte die Achseln. »Mason, Liebling, geh zurück an den Tisch und iss deinen Teller leer.«
Mason warf einen Blick über seine Schulter, seine runden Augen flehten, dann schaute er zu Raiden hoch. Er musste sich dabei so weit zurücklehnen, dass Willa befürchtete, er würde hintenüber fallen.
»Möchtest du mit nach oben an Deck gehen?«, fragte Raiden.
Mason blinzelte zu ihm auf.
»Möchtest du das, Junge? Antworte mir oder ich werde dich bei deiner Mutter lassen.«
Mason zeigte auf die Tür.
So weit, so gut, dachte Raiden. Das ist wenigstens etwas. Er trat hinaus und erlaubte Mason, voranzugehen. Als er zu Willa zurücksah, schimmerten Tränen in ihren Augen. Sie schaute von Mason zu Raiden.
»Ich habe dir doch gesagt, dass er dich mag.«
Raiden zwinkerte ihr zu; er ließ die Tür hinter sich offen, als er den Jungen die drei Stufen hinauf und dann durch den Niedergang führte.
Willa ließ sich auf den nächstbesten Stuhl sinken und weinte. Ihr Sohn hatte endlich den Vater gefunden, den er immer gebraucht hatte.
Am Strand kniend, half Willa ihrem Sohn dabei, mit einem Löffel, den er ohne Zweifel aus der Küche stibitzt hatte, einen Eimer mit Sand zu füllen. Als sie ihm helfen wollte, den Eimer zu stürzen, warf Mason ihr einen Blick zu, der sagte, er wolle es selbst tun.
»Bitte sehr, Mylord«, stimmte sie mit einer Verbeugung zu, und hob rasch die Hand, um ihren breitkrempigen Strohhut am Davonfliegen zu hindern.
Masons Lippen verzogen sich, und er machte sich wieder an seine Aufgabe, lief herum, klopfte und formte den nassen Sand, fügte hier und da noch kleine Brocken hinzu. Seit sie auf diese Insel gekommen waren, war ihr Sohn geradezu aufgeblüht. Sein zarter Körper wirkte nicht mehr so ausgezehrt, und er hatte an Gewicht zugelegt, seine blassen Wangen waren rund geworden und von der Sonne gebräunt. Java hat auch auf mich eine wohltuenden Einfluss, dachte Willa und schaute die Küste entlang, auf die sanft heranrollenden Wellen, die Schiffe und die Menschen, die ein Stück weit von ihnen entfernt waren. Die windwärts gelegene Seite der Insel gehörte Raiden, weil er sie für die hier lebenden Eingeborenen gegen mögliche Feinde verteidigte. Er hatte ein steinernes Fort errichtet, das jeder englischen Burg ihren Rang streitig machen konnte. Wahrhaftig das Versteck eines Piraten, dachte sie mit einem kurzen Blick auf das Gebäude. Dann sah sie sich nach Raiden um. Als sie ihn nirgendwo entdecken konnte, schaute sie wieder auf die See hinaus, auf die aquamarinblaue, trügerisch schöne Bucht, die von einem Labyrinth aus Felsen und Riffen durchzogen wurde, die nur der fähigste Seemann durchfahren konnte. Obwohl einige der kleine prahas, der flachgehenden Kanus, am Strand lagen, und draußen vor der Bucht, die halb versteckt im Dschungel lag, eine Reihe von Dreimastern ankerte, waren die Wrackteile, die Willa beim Umsegeln der Mole gesehen hatte, das Zeugnis für die Unwegsamkeit dieser auf keiner Karte verzeichneten Gewässer.
Mason klopfte auf ihren Oberschenkel, und Willa sah ihn an. »Wundervoll!«, rief sie und bewunderte seine Sandburg. »Das ist das Haus, nicht wahr?«
Sein glückliches Lächeln verriet, wie stolz er war, dass sie erkannt hatte, was die Sandklumpen darstellen sollten. »Vielleicht stellen wir noch ein paar Büsche und Bäume dazu, was meinst du?« Sie zeigte auf die Bündel von Seegras, die das Meer angespült hatte. Mason lief etwas davon holen, und Willas Blick glitt an ihm vorbei auf Raidens Zuhause.
Eingefügt in eine niedrige Hügellandschaft lag das Fort klug versteckt zwischen den Bäumen. Nur die Wehrgänge der Türme waren vom Hafen aus zu sehen. Unzählige Kanonen, zu viele um sie zu zählen, reihten sich entlang der Küste, auf den Türmen und auf dem Dach des Hauses mit seinen Zinnen. Es war sowohl eine Beruhigung wie auch eine Beunruhigung, so viel Waffen um sie herum zu wissen. Aber das Haus, mit seinen Bogenfenstern und Durchgängen und den mit blassfarbenen Terrakottafliesen besetzten Wänden bot ein Gefühl des Friedens, wie Willa es seit langer Zeit nicht mehr
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