Die Geliebte des Rebellen
bekommen würdet?”
“Ja.” Lord Dunstan ließ den Blick über die Szenerie schweifen. Im Schatten eines Baumes war ein Tisch aufgestellt worden, an dem vier Herren ins Kartenspiel vertieft waren. Bei einer anderen Gelegenheit hätte er gewiss das Spiel beherrscht und die Gentlemen um ihre Goldstücke erleichtert.
Doch im Moment gab es etwas, was die Aufmerksamkeit von Lord Dunstan mehr als alles andere fesselte.
Er drehte sich zu AnnaClaire um, die auf einer im Gras ausgebreiteten Decke saß, einen Becher mit Ale in der Hand. “Ich glaube, ich beginne zu verstehen, warum Ihr dieses Land nicht verlassen wollt, Mylady”, bemerkte er.
AnnaClaire freute sich über diese unerwartete Äußerung. “Seht Euch vor, Lord Dunstan, dass Ihr dem Zauber Irlands nicht verfallt”, gab sie herzlich zurück.
“Mir scheint, diese Warnung kommt zu spät. Aber es ist nicht das Land, das mich gefangen hält.”
Lady Thornly, die sich als Augenzeugin einer beginnenden Romanze wähnte, seufzte ergriffen auf. “Lord Dunstan, darf ich Euch verraten, das mein lieber verblichener Gatte mich gerade so anzuschauen pflegte, wie Ihr unsere süße AnnaClaire anseht. Nicht wahr, Lord Davis, ich habe doch recht, oder?”
“Gewiss, gewiss, meine Teuerste”, bestätigte der alte Herr und erhob sich etwas mühsam. Dann reichte er Lady Thornly galant einen Arm. “Vielleicht sollten wir die jungen Leute ein Weilchen allein lassen und einen schönen Spaziergang machen.”
Hastig sprang AnnaClaire auf und strich sich die Röcke glatt. “Wenn Ihr nichts dagegen habt, würde ich Euch gern begleiten. Nach unserem reichhaltigen Lunch, Lady Thornly, den Euer Koch so vortrefflich zubereitet hat, möchte ich ebenfalls ein wenig herumschlendern.” Sie war fest entschlossen, nicht mit Lord Dunstan allein zurückzubleiben.
Lady Thornly lächelte dem jungen Engländer zu. “Dann bestehe ich allerdings darauf, dass Ihr uns ebenfalls begleitet”, erklärte sie.
Lord Dunstan begab sich zufrieden an AnnaClaires Seite und bot ihr einen Arm, um sie über die Unebenheiten des Weges zu geleiten.
“Habt Ihr schon irgendwelche Erfolge bei Eurer Suche nach dem Blackhearted O’Neil zu verzeichnen?” erkundigte sie sich.
“Nein, aber meine Soldaten berichten von großer Unruhe unter den Einwohnern von Dublin”, erwiderte er. “Ich hege keine Zweifel daran, dass die zur Belohnung ausgesetzten Goldstücke ihre Wirkung haben werden. Schließlich handelt es sich dabei um mehr, als die meisten dieser Barbaren jemals in ihrem Leben zu Gesicht bekommen werden.”
“Das war ein brillanter Schachzug, Lynley”, ließ sich Lord Davis vernehmen. “Geradezu genial.” Er tupfte sich die Stirn mit einem feinen Tuch ab und deutete auf einen umgestürzten Baumstamm. “Einen Moment möchte ich mich ausruhen, bis ich wieder zu Atem gekommen bin.”
“Ich leiste Euch dabei Gesellschaft”, erklärte Lady Thornly und nahm vorsichtig neben dem alten Herrn Platz.
Lord Dunstan deutete auf eine Lichtung in einiger Entfernung. “Kommt, AnnaClaire, wir gehen noch ein Stückchen weiter.”
Da Lord Davis und Lady Thornly ihn in seinem Vorhaben bestärkten, sah AnnaClaire keine andere Möglichkeit, als sich einen von Gras überwucherten Pfad entlangführen zu lassen, der geradewegs zum Ufer führte.
Als sie und Lynley Dunstan das Ufer erreichten, sahen sie, dass eine Gruppe von Ladies und Gentlemen sich vor einer jungen Frau versammelt hatte, die bis zu den Knien im Wasser stand.
Sie trug nur ein Leibchen und ihr Unterkleid, in den Armen hielt sie einen nackten, sich windenden Säugling, und hinter ihr standen zwei verängstigte Kinder. Offenbar war die Familie gerade dabei gewesen, sich im Fluss zu waschen.
“Entfernt euch gefälligst sofort”, rief einer der Männer, die zu Lady Thornlys Gesellschaft gehörten. “Ihr verunreinigt den Fluss.”
Die anderen Zuschauer lachten und zeigten mit Fingern auf die Mutter und deren Kinder, die sich vor Scham krümmten.
“Aber, Lord Ramsey!” AnnaClaire löste sich von Lord Dunstan und eilte auf ihn zu. “Ihr bringt die junge Frau in große Verlegenheit”, bemerkte sie ruhig.
“Ich will, dass sie sofort hier verschwindet. Ihr Anblick beleidigt mein Auge. Außerdem möchte meine Gattin einen Schluck Wasser trinken.”
Seine Frau hielt sich ein Tuch vor Mund und Nase. “Aber wie könnte ich jetzt noch von dem Wasser trinken, Thomas, nachdem ich diese liederliche Person und ihre Brut darin gesehen habe? Und schau
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