Die Geliebte des Rebellen
“Ich habe mich lange genug hier versteckt gehalten. Es wird Zeit, dass ich meine Suche nach Tilden wieder aufnehme.”
“Ihr seid noch zu schwach, um irgendwelche Kämpfe durchstehen zu können”, wandte sie ein.
“Das habe ich mir in den letzten Tagen auch eingeredet. Aber wir wissen doch beide, dass ich mich selbst belogen habe. Meine Wunden sind fast vollständig verheilt. Ich wollte diesen Ort noch nicht verlassen. Euch mochte ich nicht verlassen.” Sanft berührte Rory ihre Wange. “Aber mit jedem Tag, den ich hier geblieben bin, wurde die Gefahr für Euch und alle, die in diesem Haus leben, größer.”
“Ich habe Euch doch schon mehrmals versichert, dass mein Vater ein Vertrauter der Königin ist und außerdem ihr Freund. Englische Soldaten würden mir nie und nimmer ein Leid zufügen.”
Mit einer Handbewegung brachte er sie zum Schweigen. “AnnaClaire, dies ist kein Spiel, sondern tödlicher Ernst. Selbst die Freundschaft zwischen der Königin und Eurem Vater würde Euch nicht retten, wenn die Engländer herausfänden, dass Ihr ihrem Feind Unterkunft und Schutz gewährt habt. Versteht Ihr das denn nicht?”
Sekundenlang blickten sie einander in die Augen. AnnaClaire wollte nicht wahrhaben, dass sie niemals wieder Rorys Stimme hören, sein Gesicht sehen oder seine Berührung spüren würde.
“Was soll ich tun?” In ihrem Tonfall lagen Hoffnungslosigkeit und grenzenlose Traurigkeit.
“Schickt Tavis zu meinen Männern mit der Botschaft, dass die Zeit gekommen sei. Sie werden dann wissen, welcher Plan durchzuführen ist.” Jetzt ritzte er sich mit dem Messer absichtlich die Hand auf und verschmierte hier und da etwas Blut. Auf ihren fragenden Blick hin erklärte er: Es soll so aussehen, als hätte ich mir gewaltsam Zutritt zu Eurem Haus verschafft.
“Ich werde Bridget sagen, sie soll einige Nahrungsmittel zusammenpacken.”
“Keine Nahrungsmittel.” Er hob eine Hand, um ihren Protest schon im Ansatz zu ersticken. “Sobald ich dieses Anwesen verlasse, werde ich der meistgesuchte Mann in Irland sein. Es wird viele Menschen geben, auch Landsleute von mir, die mich gnadenlos jagen werden, um die Belohnung zu bekommen. Denkt an das, was ich schon mehrmals gesagt habe: Niemand darf herausfinden, dass Ihr mir geholfen habt.”
AnnaClaire sah ein, dass Rorys Überlegungen richtig waren. Doch der Gedanke daran, dass man ihn gefangen nehmen könnte, zerriss ihr beinahe das Herz. “Ich komme gleich zurück, Rory.”
“Nein, bezaubernde AnnaClaire. Wenn Ihr Tavis fortgeschickt habt, geht Ihr zu Bridget in die Küche.”
“Ich will mich aber noch richtig von Euch verabschieden.”
Daraufhin riss er sie ungestüm an sich und küsste sie leidenschaftlich. “Das hier muss uns als Abschied reichen”, stieß er hervor. Abermals presste er die Lippen auf ihren Mund, kostete ein letztes Mal den süßen Geschmack und wünschte nichts sehnlicher, als ihr mehr geben zu können. “Es muss genug sein. Geht jetzt. Bitte! Schnell!”
Unerbittlich schob Rory sie zur Tür. AnnaClaire schluckte krampfhaft und verzweifelt. Sie würde jetzt nicht weinen. Für ihre Tränen würde sie später genug Zeit haben. Im Moment gab es für sie jedoch noch viel zu tun.
Rory kleidete sich hastig an, wobei er ein Messer in einem Stiefelschaft verbarg und ein weiteres in das Taillenband steckte. Dann griff er nach seinem Schwert und machte sich auf den Weg nach unten. Alle seine Sinne waren hellwach, doch er sah und hörte niemanden. Über dem Haus lag eine geradezu gespenstische Stille.
Gerade als er sich auf der breiten Treppe befand, die direkt in die Halle führte, hörte er draußen das Geräusch vieler donnernder Hufe und stieß einen bösen Fluch aus. Die Engländer hatten wirklich keine Zeit verloren. Er hätte sich denken können, dass sie handeln würden, sowie sie von seinem Aufenthaltsort erfuhren.
Nun konnte er nur noch versuchen, wenigstens die Menschen zu retten, denen er es verdankte, überhaupt noch am Leben zu sein.
Er schlich sich in eine dunkle Nische in der Eingangshalle und lauschte auf die lauten Kommandos und Rufe im Vorhof von Clay Court. Sekunden später wurde mit aller Macht an das Portal gehämmert.
Von seinem Versteck aus sah Rory, wie Bridget aus der Küche herbeigeeilt kam und den Engländern öffnete.
“Wo ist Lady AnnaClaire?” Lord Dunstans Stimme klang herrisch.
“In der Küche, Mylord.”
“Aus dem Wege, Frau.” Grob schob Dunstan die alte Frau beiseite und marschierte
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