Die Geliebte des Rebellen
geradewegs zur Küche, gefolgt von mehreren bewaffneten Soldaten.
“Lord Dunstan!” AnnaClaire stellte ihren mit Tee gefüllten Becher auf den Tisch. “Was bringt Euch zu dieser ungewöhnlichen Stunde hierher zurück?” Ihre Stimme zitterte kaum merklich.
“Ist es richtig, dass eine Magd namens Glinna Farley in Euren Diensten steht?”
“Ja, warum? Was hat sie getan?”
“Sie fordert für sich die Belohnung, die auf die Ergreifung des Blackhearted O’Neil ausgesetzt wurde.”
“Unsere Glinna?” ließ sich Bridget von der Tür her vernehmen und klatschte aufgeregt in die Hände. “Wie beeindruckend! Wo hat sie ihn gefunden?” Die Haushälterin hoffte, Lord Dunstans Aufmerksamkeit von AnnaClaire abzulenken.
Doch dieser ignorierte sie schlichtweg. Vielmehr blickte er AnnaClaire unverwandt an, als er sagte: “Sie erklärte, dass er sich in einer Dachkammer verborgen halte.”
Gespielt entsetzt hob AnnaClaire die Hände. “Hier? Im Hause meines Vaters?”
“So erzählte sie es. Wollt Ihr behaupten, Ihr wüsstet nichts davon?”
AnnaClaire stand von ihrem Stuhl auf und umfasste die Lehne, denn sie wollte einen sicheren Halt spüren. “Lord Dunstan, ich bin schon seit sehr langer Zeit nicht mehr auf dem Dachboden gewesen. Aber ich kann mir kaum vorstellen, dass solche Dinge in meinem Haus geschehen, ohne dass ich etwas davon bemerke.”
“Dann erhebt Ihr gewiss keinerlei Einwände, wenn meine Männer die fraglichen Räumlichkeiten durchsuchen?” Dunstan sah sie lauernd an.
Fest erwiderte sie seinen Blick. “Mehr noch”, gab sie zurück. “Ich bestehe sogar darauf.” Sie raffte ihre Röcke und eilte an Lord Dunstan vorbei. “Folgt mir bitte, ich zeige Euch den Weg.”
Er hielt sie am Arm fest. “Oh nein, Mylady. Ihr werdet hier bei mir bleiben.” Und an die Soldaten gewandt, befahl er: “Lasst euch von der Dienstbotin nach oben führen.”
AnnaClaire lauschte auf das Geräusch trampelnder Schritte, während sie im Stillen inständig darum betete, dass es Rory gelungen sein möge, zu entkommen. Ob Dunstan ihre Unsicherheit spürte? Sie war für diese Art Spiel ganz und gar ungeeignet!
Was sollte sie nur tun, wenn Rory sich noch in der Dachkammer befand? Dann würde sie hilflos zusehen müssen, wie man ihn in Ketten abführte.
Die nur undeutlich von oben zu vernehmenden Stimmen wurden lauter, als die Soldaten die Treppe heruntergepoltert kamen. Einer der Männer trat zu Lord Dunstan und berichtete: “O’Neil war bis vor Kurzem in der Dachkammer. Wir haben frische Blutspuren gefunden.”
Dunstan kniff die Augen zusammen. “Das Haus durchsuchen!”, rief er. “Salon für Salon und Kammer für Kammer! Dass ihr mir keinen Winkel überseht! Die Lady und ich warten hier auf weitere Berichte.”
AnnaClaire wandte sich Hilfe suchend an Bridget. “Bring mir bitte einen Becher Ale”, bat sie. “Ich fühle mich nicht wohl.” Und als würde sie sich plötzlich ihrer Pflichten als Gastgeberin entsinnen, fragte sie: “Mylord, mögt Ihr auch eine Erfrischung zu Euch nehmen?”
“Ja.” Er ließ sie nicht aus den Augen und musste zugeben, dass AnnaClaire wirklich sehr elend aussah. Sie war erschreckend blass, und ihre Lippen bebten. Jetzt trat sie näher an den Ofen und streckte die Hände aus, um sie zu wärmen. Ihr war eiskalt.
Wo war Rory? Er konnte unmöglich entkommen sein. Zu viele Soldaten hatten das Haus umstellt!
“Hier, Mylady.” Bridget reichte ihr den gefüllten Becher und wollte gerade einen weiteren an Lord Dunstan geben, als die Hintertür der Küche aufgestoßen wurde und Tavis taumelnd hereinkam. Sein Gesicht war blutüberströmt.
Bridget stieß einen markerschütternden Schrei aus und umklammerte ihren Mann. Aus einer Wunde an seinem Kopf tropfte Blut. “Tavis, oh mein Gott! Was ist passiert?”
Tavis stolperte noch einige Schritte vorwärts und brach dann zusammen. Soldaten kamen jetzt herein, um die Ursache des Tumults zu erkunden. Verwirrt schauten sie auf den am Boden liegenden alten Mann.
Bridget hielt ihm einige saubere Leinentücher hin, die Tavis an den Kopf presste. “Diebe”, stieß er heiser hervor. “Sind in den Stall gekommen. Haben unsere Pferde gestohlen.”
“Das war O’Neil!”, rief Dunstan den Soldaten zu. “Er versucht, uns zu entkommen. Na los, beeilt euch. Hundert Goldtaler für den, der ihn aufhält.”
Die Männer rannten Hals über Kopf hinaus und stürmten zu den Stallungen.
“Tot oder lebendig!”, rief Dunstan ihnen nach.
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