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Die Geliebte des Rebellen

Die Geliebte des Rebellen

Titel: Die Geliebte des Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Langan
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die Hände vor dem Gesicht.
    Unwillkürlich presste AnnaClaire eine Hand vor den Mund, als plötzliches Verstehen sie wie ein Blitzschlag traf. Dieses war der Ort, an dem Caitlin und ihre Familie ermordet worden waren.
    AnnaClaire spürte einen scharfen, schmerzhaften Stich in der Herzgegend. War sie etwa eifersüchtig? Auf eine tote Frau? Sie versuchte, diese Empfindung abzuschütteln, doch so weh es auch tat, so musste sie sich doch die Wahrheit eingestehen. Es bereitete ihr Kummer, zu sehen, dass Rory um seine verlorene Liebe trauerte.
    Doch dann beruhigte sich AnnaClaire mit dem Wissen, dass sie und Rory sich niemals begegnet wären, wenn das Massaker nicht stattgefunden hätte.
    “Bist du schon mal wieder hier gewesen, seit …?”
    “Ich komme jeden Tag hierher”, antwortete Innis.
    “Jeden Tag? Aber warum?”
    “Um die Erinnerung wachzuhalten.”
    “Wäre es nicht besser, wenn du irgendwann ein wenig Vergessen finden würdest?”
    “Niemals!” Innis zog aus einer Falte seiner Tunika einen kleinen Dolch hervor. “Seit Rory fortgegangen ist, bin ich jeden Tag zum Üben hier gewesen. Ich könnte einen fliegenden Vogel mitten ins Herz treffen.” Mit höchster Konzentration zielte er auf ein einzelnes Blatt an einem vertrockneten Ast und traf. Schaudernd und fasziniert zugleich sah AnnaClaire, wie das Blatt langsam zu Boden segelte.
    Innis nahm seine Waffe wieder an sich. “Wenn ich groß genug bin, werde ich Rory auf seinem Rachefeldzug begleiten”, murmelte er vor sich hin, gerade laut genug, dass AnnaClaire ihn hören konnte. “Und gemeinsam werden wir Irland von den Engländern befreien.”
    “Oh Innis, ich bete zu Gott, dass dieser Tag niemals kommen möge.” Mit Tränen in den Augen wandte sich AnnaClaire zum Gehen. “Ich muss sofort von hier fort.”
    Innis blieb an ihrer Seite. “Warum flieht Ihr, Engländerin? Habt Ihr etwa Angst zu sehen, was Eure Landsleute angerichtet haben?” Jetzt war nichts Kindliches mehr an Innis. Er sprach und gebärdete sich wie ein harter, verbitterter Mann.
    “Ich habe kein Recht, mich hier aufzuhalten”, stieß AnnaClaire mit erstickter Stimme hervor. Sie presste die Lippen zusammen und hastete davon.
    Bei dem Geräusch klappernder Hufe hielt sie inne, und auch Innis blieb stehen.
    “AnnaClaire.” Rory brachte sein Pferd zum Stehen. Seine Augen wirkten trübe. Das Herz war ihm so schwer, dass ihm fast die Stimme versagte. “Was machst du hier draußen?”
    “Ich bat Innis, mir diesen Ort zu zeigen. Er selber kommt täglich hierher.”
    “Stimmt das, Junge?”
    Innis blickte den großen, berühmten Krieger unerschrocken an. Im Geiste sah er noch immer dessen Gesichtsausdruck beim Anblick des Schlachtfeldes vor sich und hörte den markerschütternden Schrei, den Rory ausgestoßen hatte, als er seine geliebte Caitlin fand.
    Innis weinte häufig im Schlaf, doch bei Tage kam kein Laut der Klage über seine Lippen.
    “Kannst du sprechen?” wollte Rory wissen. Er glitt aus dem Sattel und kniete sich vor den Jungen hin. “Hast du etwa Angst vor mir?”
    “Nein.” Innis schüttelte entschieden den Kopf. “Obwohl manche Leute behaupten, Ihr wäret der am meisten gefürchtete Mann in ganz Irland.”
    “Nun, die Einzigen, die mich fürchten müssen, sind die englischen Soldaten.”
    “Und die sollten rechtzeitig lernen, auch mich zu fürchten. Denn wenn ich irgendwann auf sie treffe, werde ich kein kleiner, verängstigter Junge sein, der sich hinter dem Rücken seines Vaters versteckt.”
    Lange und forschend sah Rory Innis an. Dieser Junge war ihm so ähnlich!
    AnnaClaire wich seinem prüfenden Blick aus. Sie hatte den Schmerz in seinen Augen gesehen und aus seiner Stimme herausgehört. “Ich würde jetzt gern nach Ballinarin zurückkehren”, erklärte sie.
    “Ja, das ist eine gute Idee. Es sieht so aus, als ob wir in Kürze ein Unwetter zu erwarten haben.” Rory schaute vielsagend zum Himmel, wo sich dicke schwarze Wolken zusammenballten. “Kommt, ihr beiden. Mein Pferd kann uns alle drei tragen.”
    Und so machten sie sich auf den Weg. AnnaClaire hielt sich sehr gerade und steif. Die Gedanken in ihrem Kopf kreisten wie Mühlräder. Wenn es ihr gelang, das Herz des so zutiefst verletzten Jungen zu gewinnen, würde sie das Gleiche vielleicht im Laufe der Zeit auch bei den anderen Bewohnern von Ballinarin schaffen.
    Doch mit wachsender Verzagtheit erkannte AnnaClaire, dass sie für die Gräueltaten anderer büßen musste, indem sich Rorys Familie

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