Die Geliebte des Rebellen
meines Lebens hier in der Kapelle vor. Ich habe dem Herrn mein Leben in Armut und Demut gewidmet, und diesen Schwur könnte ich zu leicht vergessen, wenn ich den Verlockungen eines Lebens in Luxus ausgesetzt wäre.”
Nachdenklich nippte AnnaClaire an ihrem Wein. “Ich habe Männer der Kirche am Hof gesehen. Sie schienen völlig vergessen zu haben, welches Gelübde sie einmal abgelegt hatten, und kamen sich in ihrer Pracht und Herrlichkeit teilweise schon selbst wie kleine Könige vor.”
“Das beschämt mich zutiefst”, erklärte Pater Malone und schüttelte missbilligend den Kopf. “Was haltet Ihr von der Königin?”
“Sie ist eine faszinierende Frau. Stark. Leidenschaftlich. Wenn sie einen Raum betritt, rückt alles andere in den Hintergrund. Ich glaube, dass Elizabeth die geborene Herrscherin ist. Selbst die Männer, die sie beraten, ordnen sich ohne Murren ihrem Willen unter.”
“Es gibt aber doch einige, die die Königin als eine Tyrannin bezeichnen”, erwiderte der Priester und beobachtete AnnaClaire bei diesen Worten sehr aufmerksam. “Und trotzdem bewundert Ihr sie.”
“Ja, sie ist eine Frau in einer Männerwelt und unerschrocken dazu. Wie sollte ich sie dafür nicht bewundern?”
“Moira erzählte mir, Ihr hättet Euch und euren Haushalt mit Eurer Hilfe für Rory in große Gefahr gebracht.”
AnnaClaire errötete ein wenig. “Daran habe ich nicht gedacht. Zumindest nicht sehr oft.”
“Wie kannst du so etwas behaupten?” Rorys Stimme klang weich. “Auf meinen Kopf war eine Belohnung ausgesetzt”, wandte er sich an Pater Malone. “Englische Gentlemen von adliger Herkunft waren regelmäßige Besucher in AnnaClaires Haus. Und wenn sie behauptet, keinen Gedanken daran verschwendet zu haben, so ist sie jetzt lediglich bescheiden. Sie wusste ganz genau, was sie tat, und kannte den Preis, den sie möglicherweise für ihre Hilfsbereitschaft würde zahlen müssen.”
Innis sah AnnaClaire aus weit aufgerissenen Augen an. “Hättet Ihr getötet werden können?” wollte er wissen.
“Vielleicht. Aber schau doch nicht so verschreckt drein, Innis. Ich bin ja jetzt hier, und die Gefahr ist vorüber.” AnnaClaire lächelte ihn aufmunternd an.
“Und Ihr hattet keine Angst?” Beinahe ehrfürchtig blickte er sie jetzt an, als entfalte sich vor seinen Augen ein Wunder.
“Doch, sehr oft sogar”, gestand AnnaClaire. “Aber ich konnte nicht zulassen, dass die Furcht vor den Folgen mich davon abhielt, zu tun, was mir richtig erschien.”
“Es muss für eine hochwohlgeborene Lady wie Euch sehr seltsam gewesen sein, einen raubeinigen Kämpfer unter ihrem Dach zu beherbergen”, bemerkte Pater Malone.
“Ach, ich habe Krieger schon immer bewundert.” Sie schaute Rory an, bis er ihren Blick erwiderte, bevor sie hinzufügte: “Sowohl die mutigen als auch die dummen und leichtsinnigen.”
Der Geistliche lachte leise vor sich hin. Doch Innis lauschte weiterhin und beobachtete AnnaClaire aufmerksam. Es gab vieles an dieser Engländerin, was er nicht erwartet hätte.
Die Zeit verging wie im Fluge, zumal Pater Malone seine Gäste damit unterhielt, dass er mit tiefer, melodischer Stimme die Geschichte von Ballinarin zum Besten gab.
“Rory hat mir erzählt, dass seine Vorfahren vom Heiligen Patrick getauft wurden. Stimmt das?” wollte AnnaClaire wissen.
“Ja, allerdings. Die O’Neils können ihre Wurzeln zurückverfolgen bis zu den irischen Königen – und auch einigen Taugenichtsen.”
Sie lächelte. “So, so, Rory, dann fließt also nicht nur königliches Blut durch deine Adern, womit du dich so gern rühmst.”
Innis neben ihr hätte beinahe gekichert.
“In der Tat. Nicht alle meine Vorfahren waren Ehrenmänner. Hüte also besser deine Zunge, Frau”, gab Rory fröhlich zurück.
“Und du pass auf, was hinter deinem Rücken geschieht.” AnnaClaire leerte ihren Becher in einem Zug. Sie fühlte sich äußerst zufrieden. “Sonst könnte dieselbe Frau, die dir das Leben gerettet hat, es dir auch nehmen.” Sie hörte, wie der Junge neben ihr schnaubte. Offensichtlich machte ihm das Geplänkel Spaß.
Kurze Zeit später hatte sich das Unwetter verzogen, und Rory mahnte zum Aufbruch. Pater Malone sah zu, wie er zuerst AnnaClaire und dann Innis in den Sattel half, bevor er selber hinter den beiden aufsaß.
Als die drei ihm zum Abschied zuwinkten, hob der Mönch eine Hand und rief hinter ihnen her: “Gott sei mit euch, meine Kinder.” Dann wandte er sich um und seufzte. Moira hatte
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