Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
ins Dunkel des Parks. Kein bittender Ruf hemmte ihren eilenden Fuß.
Auf dem feuchten Rasengrund sank sie verzweifelt nieder, gefoltert von bebender Scham, von heißer Liebe, von glühendem Verlangen und der Erkenntnis eines Verzichtes, der unausbleiblich war. Fort nur fort! Auge in Auge mit ihm würde sie niemals die Kraft finden, dem geliebten Mann zu widerstehen.
Wohin aber sollte sie sich wenden? Sie dachte einen Augenblick an ihre Eltern, die seit dem Tode Gastons von Or!éans mit Marguerite von Lorraine und der Witwe Choisys in das Palais Luxembourg übersiedelt waren.
Kaum gedacht, verwarf sie den Gedanken wieder. Die Eltern, die sie an den Hof gebracht, um die eigene Stellung gefördert zu sehen, würden gerade sie die Tochter schützen vor der Liebe des allmächtigen Königs?
Sie dachte an Suzette de Fleuvigny. Die Freundin würde sie begreifen, ihr Schutz gewähren. Aber wie sollte sie zu ihr gelangen, allein, unberaten, mittellos! Suzette würde kommen, wenn sie nach ihr rief. Aber wie viel Zeit musste vergehen, bis die Freundin die Arme um sie breiten, sie vor Sünde und Verbrechen bewahren konnte!
Louise richtete sich von dem feuchten Rasengrund auf. Sie kniete nieder und hob die Hände zu dem dunklen Himmel, an dem kein Stern leuchtete.
Und plötzlich wusste sie, dass es nur Einen gab, dessen Hut sie sich anvertrauen konnte, Einen, der mächtiger war als selbst der allmächtige König — Gott, der über ihnen allen ist!
Ihn wollte sie suchen an einer der stillen Zufluchtsstätten, zu seiner Ehre aufgebaut.
Ein grauer nebliger Morgen sah ins Zimmer, als Rosalie die schlaftrunkenen Augen rieb. Von der Schlossuhr schlug es acht. Mit beiden Beinen zugleich sprang das Mädchen aus dem Bett und steckte den hübschen schwarzen Zottelkopf ins kalte Wasser, um sich so rasch als möglich vollends munter zu machen.
Mein Gott, wie man sich nur so verschlafen konnte, nach dem bisschen Tanz gestern Abend! Ein spitzbübisches Lächeln flog über Rosalies frisches bräunliches Gesicht.
Freilich, Monsieur Armand, der Uhrmacher Seiner Majestät, der gestern aus Paris gekommen war, um die Uhren des Königs zu regulieren, hatte es ein bisschen toll mit ihr getrieben. Die Touren, die sie zusammen getanzt, waren gar nicht mehr zu zählen gewesen. Dabei war er ein hübscher Mensch und ganz gewiss sehr geschickt, denn sonst hätte der König ihm seine Uhren, die er über alles liebte, sicherlich nicht anvertraut.
In Paris — so hatte Monsieur Armand ihr erzählt — käme er jeden Morgen, den Gott werden ließe, noch vor dem Frühstück zum König in den Louvre. Im Beisein Seiner Majestät zöge er alle Uhren auf und reguliere sie, und jede Reparatur käme ohne Ausnahme in seine Hände.
Wahrhaftig, der König musste große Stücke auf den hübschen Herrn Armand halten, dachte Rosalie stolz, während sie mit hastenden Fingern ihre Toilette notdürftig beendete. Dann klopfte sie beklommen an des Fräuleins Zimmer. Fräulein Louise hielt es sehr streng mit dem Dienst bei Madame. Sicherlich würde Rosalie für ihre Unpünktlichkeit ausgescholten werden.
Zweimal hatte das Mädchen geklopft, ohne eine Antwort zu erhalten. Jetzt klinkte sie leise die unverschlossene Tür auf. Vielleicht hat das Fräulein auch getanzt, schmunzelte Rosalie, und deshalb die Zeit verschlafen.
In dem Dämmerlicht, das durch die verhängten Fenster fiel, tastete sich das Mädchen vorsichtig an das Bett ihrer Herrin. Mit einem Schrei fuhr sie zurück. Das Bett war leer — unberührt.
Rosalie rief laut den Namen des Fräuleins und riss die Vorhänge von den Fenstern. Nichts! Das Zimmer leer wie das Bett! Nirgends eine Spur von Louise!
Schon wollte Rosalie aus dem Zimmer stürzen, laut rufen, es sei ein Unglück geschehen, ihr Fräulein sei verschwunden, als im letzten Augenblick, die Tür schon in der Hand, ihr Blick auf Fräulein von La Vallières Toilettentisch fiel. Beschwert von einem Lichthalter mit niedergebrannter Kerze sah sie ein beschriebenes Briefblatt liegen.
Sie nahm es unter dem Lichthalter hervor und trat damit ans Fenster. Mit tränenverdunkeltem Blick las sie:
„Meine liebe Rosalie, Dinge, die ich Dir im Augenblick nicht erklären kann, treiben mich fort von Fontainebleau. Ich muss den Hof auf immer verlassen, wenn ich nicht eine große Sünde auf mein Gewissen laden will.
Wenn Du erwachst, werde ich am Ziel meiner Wünsche sein. Ich hoffe, die guten Schwestern von Chaillot werden mich aufnehmen und ich werde in ihrer
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