Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
kein Wort entrang sich ihren blassen Lippen. Unaussprechliches ging in ihr vor. Sanft löste er ihre um das kalte Eisen gekrampften Hände und nahm sie zwischen die seinen, in denen das Blut stürmisch klopfte.
„Kleine Louise, süße kleine Louise”, flehte er, „was willst du hinter grauen traurigen Klostermauern?”
Er legte ihren blonden Kopf an seine Brust.
„Hier ist dir eine bessere Heimat bereitet. Fühle, wie mein Herz für dich schlägt, nur für dich! Willig gäb' ich mein Königtum für deine Liebe! Was gilt es mir ohne dich!”
Langsam hob sie das Haupt und sah mit einem unbeschreiblichen Blick zu ihm auf. Niemals war sie ihm so überirdisch schön erschienen. Zärtlich beugte er sich zu ihr nieder.
„Vertraue mir”, flüsterte er, „ich will all meine wilden Wünsche zurückdrängen — will nur wollen, was du willst — nur das Kloster gib auf, Louise, und folge mir —”
„Wohin soll ich gehen?”, fragte sie mit ihrer leisen süßen Stimme. „Ich habe keine Heimat mehr.”
„Du findest die wieder, die du verlassen hast. Ich mache deinen Frieden mit Madame, verlass dich auf mein Wort. Komm, komm, der Wagen wartet. Ich fahre dich nach Paris, zu deinen Eltern, wenn du willst.”
Schaudernd sah der König um sich. Seine Augen waren auf das offene Grab gefallen. Er schlug den grauen Mantel fester um sich. Nur fort von dieser Stätte öden Grauens. Er zog ihren Arm in den seinen.
„Komm, komm!”, drängte er noch einmal.
Dann führte er sie über den Kirchhof und durch den Kreuzgang. Beide waren sie blass, beide schritten sie lautlos wie Schatten zwischen den dunklen Zypressen und den schlichten Grabstätten hin.
Vor dem großen Tor waren die Schwestern mit der Äbtissin versammelt. Sie hielten die Blicke unter dem Schleier gesenkt, als wollten sie nichts sehen von dem Ungeheuerlichen, das sich hier begab.
Der König drückte der dienenden Schwester ein reiches Geldgeschenk in die Hand. Dann hob er Louise in den Wagen. Er war mit sechs Pferden bespannt, die ungeduldig den Boden scharrten.
Er setzte sich an ihre Seite. Die Pferde zogen an. In wenigen Minuten war das Kloster Chaillot ihren Blicken entschwunden. Der König atmete tief und freudig auf, wie von einer schweren Last befreit.
„Meine kleine Louise”, sagte er mit lachenden Augen. „Sie sollen es nie bereuen, mir gefolgt zu sein. Sie werden sehen, ich übertreibe nicht. Ich bin nichts ohne Sie, mit Ihnen alles. Hätten Sie es auf Ihr Gewissen laden mögen, dass ich Ihrethalben Frankreich unglücklich gemacht hätte?”
Louise lächelte.
„Oh Sire, wie vermöchte ich das?”
„Wenn Sie sich auf das Kloster kapriziert hätten, wäre es Ihnen ein Leichtes gewesen! Aber ich kenne Sie besser. Eine so schlechte Patriotin sind Sie nicht.”
Seitdem der König im Dämmer des Herbstabends Fräulein von La Vallière nahe dem Luxembourg aus dem Wagen gehoben hatte, war Louise Gast der Saint-Remis.
Sie hatte während der ersten Tage ihrer Anwesenheit nicht viel von den Eltern gesehen. Ihr Stiefvater war durch Marguerite von Lorraine, in deren Dienst er sich einstweilen gestellt hatte, viel beschäftigt. Frau von Saint-Remi hielt sich mit Vorliebe in der Nähe der Grande Mademoiselle auf, mit der, als einstiger Heroine der Fronde, sie besonders sympathisierte. Auch erhoffte sie von dem Einfluss der Montpensier mehr als von dem ihrer Tochter, die weder ihr noch François' Dasein bis heute um einen Schritt gefördert hatte.
So war es bisher zu keiner vertraulichen Stunde zwischen Louise und der Mutter gekommen. Louise empfand dies Voneinander-Fernbleiben als eine Wohltat. Sie konnte gerade die Marquise unmöglich zur Vertrauten ihrer sündigen Leidenschaft machen, noch weniger konnte sie, die sich aufs Lügen nicht verstand, der Mutter Gemütsruhe, Zufriedenheit vortäuschen.
Am dritten Tage, als Louise, von Unruhe gepeitscht, wie verloren durch die Säle des wundervollen Palastes irrte, flüchtig durch die weiten Räume eilte, in denen Rubens seine Meisterwerke entworfen, aus den offenen Galerien auf Paris hinuntersah, der Zeiten denkend, da sie mit Suzette aus den höchsten Fenstern des stolzen Baues auf ihre neue Heimat geblickt hatte — Zeiten, da niemand das Fräulein von La Vallière gekannt —, hörte sie plötzlich ihren Namen rufen.
Sie dachte an ihre Stiefschwester Cathérine, die gestern Abend vom Land zurückgekommen war — Cathérine aber hatte keine so muntere Stimme, keinen so warmen Herzenston. Als sie
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