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Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)

Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)

Titel: Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Duncker
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besonders groß, da das Fest weit von dem Begriff abwich, den man sonst unter dem „Grand Appartement” zu verstehen pflegte. Heute handelte es sich nicht um Promenaden mit Musikbegleitung in den Galerien, nicht um das Spiel, nicht um einen kalten Imbiss von Zitronen, Apfelsinen, Pasteten und zu Pyramiden aufgebautem Zuckerwerk, heute war man zu einer Prunktafel geladen, die unter der Last ihrer Silber- und Goldschätze, ihrer Speisefülle, ihrer Blumen, Früchte und edlen Weinen zusammenzubrechen drohte.
    Dazu Weiber in leichten, schlüpfrigen Gewändern, die die Körper einer Venus ahnen ließen, Weiber, vor denen man sich keine Gene aufzuerlegen brauchte, die man mit begehrlichem Lächeln und begehrlicheren Händen kosen durfte, die den Ältesten und Nüchternsten zum liebenden Jüngling machten. Wahrhaftig — der Olymp auf Erden!
    Der König saß zwischen seinem Bruder und Saint-Aignan. Vor ihm war, wie er es angeordnet hatte, die Tischfläche leer geblieben und von einem Kranz aus Rosen und Orangenblüten eingeschlossen worden.
    Philippe, der hinter dem Rücken des Königs Saint-Aignan gefragt, was dieses seltsame Arrangement zu bedeuten habe, hatte statt jeder Antwort ein ehrliches Achselzucken bekommen. In der Tat war niemand als die beiden Menschen, mit denen Louis, ohne dass jemand es ahnte, tagelang in Paris konferiert hatte, in das Geheimnis der Tischplatte eingeweiht. Diese beiden waren sein alter Laporte und der Maschinenmeister der Truppe Molières im Palais Royal.
    Um die Mitte der Tafel trat Laporte an den König heran und flüsterte ihm etwas zu. Louis nickte befriedigt.
    Philippe hörte seinen Bruder sagen: „Ausgezeichnet! Wenn der Mechanismus klappt.”
    Laporte nickte und empfahl sich.
    Der König machte ein Zeichen zur Musikkapelle hinauf. Lully ließ abbrechen und ein süßes Liebeslied intonieren. Die Violinen sangen in schmelzenden Tönen.
    Der König drückte auf einen Knopf unter der leeren Tischplatte. Sie klappte zurück. Nur die Blumengirlande um die kreisrunde Öffnung blieb, aus der langsam, wie ein weißer Schwan, ein nacktes Weib auf goldener Schüssel emporstieg. Schneeigem Marmor gleich schimmerten die wundervoll geformten Glieder. In dem nachtschwarzen Haar gleißte ein Kronjuwel von unaussprechlichem Glanz.
    Einen Augenblick herrschte tiefes Schweigen an den langen Tafeln. Überwältigend war der nie da gewesene Anblick dieser nackten Schönheit.
    Dann brach ein Jubeln ohnegleichen los. Von allen Seiten tönte das „Vive le roi!” . Alles erhob sich von seinen Plätzen, alles stürzte in die Innenseite der Tafel, um das Wunder aus der Nähe zu sehen, zu prüfen, ob diese überirdische Schönheit ein lebendes Weib oder ein Meistergebilde aus Marmor war.
    Der König lächelte zynisch und drehte an der goldenen Schüssel, auf der Jeanne Ricault die Wunder ihres nackten Leibes Hunderten von Blicken preisgab, damit seine Edelleute diese Wunder von allen Seiten begaffen und Molières Komödiantinnen vor Neid platzen sollten.
    Philippe von Orléans, der trotz der tollen eifersüchtigen Liebe zu seiner Frau kein Kostverächter war, stand vorgestreckten Hauptes gegen Jeanne Ricault gebeugt, sodass seine Stirn fast die Schenkel des nackten Weibes berührten. Der König drückte ihn mit einer leichten Bewegung zurück und sagte spöttisch: „Sie sehen, lieber Bruder, es blühen mancherlei Blumen im Garten der Schöpfung. Ein Exempel für eifersüchtige Ehemänner, die jedermann in die eigene Frau verliebt glauben.”
    Philippe hatte keine Lust, dem König eine Antwort zu geben. Von Kindheit an wusste er, dass er den kürzeren dabei zog. Überdies war es längst nicht mehr der König, sondern ein ganz anderer, auf dessen Gunst bei Henriette er eifersüchtig war.
    Louis hatte Jeanne einen Kristallbecher voll roten Burgunders gereicht, den sie, mit hoch erhobenen Armen haltend, in einem Zug leerte. Dann warf sie das Glas übermütig über den Kopf des Königs fort auf das Parkett des Venussaales, dass die Scherben klirrten.
    Die Mehrzahl der Gäste schrie laut vor Vergnügen. Andere hatte die erweckte Begierde stumm gemacht. Mit trunkenen, lüsternen Augen starrten sie weit vorgestreckten Hauptes auf das Weib. Wer es heute Nacht hätte besitzen können!
    Der König strich Jeanne Ricault leicht über die Hüfte.
    „Wenn du noch eine Weile aushältst, Mädchen, und sie alle toll machst, gehört dir der Kronjuwel im Haar.”
    Jeanne Ricault wollte die Hand des Königs drücken. Er aber

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