Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
hätte.
Heute brauchte niemand ihn fortzuschicken. Heute ging er von selbst, wortlos, mit eiskaltem Gruß.
Am nächsten Morgen beschied der König Saint-Aignan zu sich. Der Herzog fand seinen Gebieter aufgeregt und verstimmt. Er sprach in einem Ton zu ihm, den Saint Aignan noch niemals an dem königlichen Freund vernommen hatte.
Herrisch forderte er ihm die Listen der für September und Oktober noch in Fontainebleau geplanten Feste ab. Ohne die Papiere anzusehen, riss er sie mitten durch und warf die Fetzen in den Kamin.
„Sie werden heute nach Paris fahren, Herzog, und die Vorbereitungen zu einem Grand Appartement treffen, bei dem Kosten keine Rolle spielen dürfen! Notieren Sie: Auffahrt bei der Treppe der Gesandten. Große Tafel im Saal der Venus. Auf der Galerie sechsunddreißig Violinen, von Lully und Lambert abwechselnd dirigiert. Was an Erotik aufzutreiben ist, sollen die Kerle fiedeln. Lully wird aus Florenz genügend Vorrat mitgebracht haben. Tafel, Hufeisenform. Auf der Innenseite werden keine Gedecke aufgelegt, nur serviert. Diener, die blaue Livree mit Goldstickerei. Der Saal der Venus und die Vorzimmer sind unter Le Nôtres persönlicher Leitung zu dekorieren. Er soll alle Treibhäuser plündern. Schwer duftende Blumen, Rosen, Orangen und Jasmin. Lebrun soll für laszive Bilder und Gobelins sorgen. Was die Tafel an Gold und Silber trägt, soll aufgestellt werden. Vor meinem Platz bleibt ein großer kreisrunder Raum frei, ohne Tafeltuch, mit einer Girlande umgeben. Vilain soll morgen herauskommen und mir Vorschläge für die Speisenfolge machen. Das Köstlichste, was er zusammenbringen kann. Den Dummkopf, den Kellermeister, werden Sie selbst beaufsichtigen, dass er nicht knausert. Weine, Champagner und Liköre sollen in Strömen fließen. Nach dem Souper wird im Saal des Friedens gespielt. Je höher der Einsatz, je besser. Dekoration der Spiegelgalerie nicht zu vergessen. Haben Sie, Herzog?”
Saint-Aignan sah von seinen Notizen auf und zu dem König hinüber, der sein Diktat im Laufschritt gemacht hatte. Als Saint-Aignans Blick ihn traf, lächelte der König sarkastisch.
„Ich weiß schon, was Ihnen noch fehlt: die Liste der Einzuladenden. Hier ist sie.”
Der König zog ein zusammengelegtes Papier aus der Tasche und übergab es dem Herzog. Saint-Aignan blickte hinein und fragte verwundert: „Keine Damen, Sire?
„Für die wird Freund Molière sorgen. Er soll das Ballett und seine Komödien plündern. Drohen Sie ihm meine allerhöchste Ungnade an, wenn ein einziges hässliches Gesicht, ein einziges nicht junonisch gewachsenes Weib dabei ist. Ich werde genau nachprüfen, darauf mag mein lieber Komödiendirektor sich verlassen.”
Louis lachte frivol. Dann zog der König einen Zettel aus der Tasche und gab ihn Saint-Aignan.
„Suchen Sie die angegebene Adresse auf und sagen Sie der Besitzerin des Hauses, sie solle jene gewisse Jeanne Ricault für mich in Bereitschaft halten, die sie mir einmal zu sehr inopportuner Zeit angeboten hat. Sagen Sie ihr, ich hätte große Dinge mit dem Mädchen vor, falls es ihrer Einschätzung und meinen Erwartungen entspräche: Ich beabsichtigte Jeanne Ricault bei Hofe vorzustellen.”
Wieder lachte der König zynisch auf.
Als Saint Aignan das Zimmer des Königs verlassen hatte, fasste er sich an den Kopf. Mein Gott, was war nur mit dem König vorgegangen? Niemals hatte er ihn in ähnlicher Verfassung gesehen! Sollte Fräulein von La Vallières Sprödigkeit ihn so aus allen Fugen gebracht haben? Hatte er getrunken? Hoch gespielt und Unsummen gewonnen oder verloren? Hatte der Fall Fouquet ihn doch mehr aus den Fugen gebracht, als er es vor anderen wahrhaben wollte?
Der Herzog entfaltete kopfschüttelnd den Zettel, den der König ihm gegeben. Er enthielt die Adresse eines der verrufensten Häuser von Paris.
Das „Grand Appartement” des Königs fand um Ende September statt. Sämtliche Einladungen waren angenommen worden. Alles war aus den Sommerschlössern nach Paris geeilt. Die ganze Stadt war voll von geheimnisvollen Anspielungen über dieses Fest, das so plötzlich außerhalb der Gesellschaftszeit angesagt worden war.
Die Andeutungen, die der „Merkur” brachte, lockten selbst diejenigen Edelleute herbei, die sonst aus gebotener Sparsamkeit den Festen des Königs fern blieben und sich so selten bei Hofe zeigten, dass der König sie geringschätzig unter dem Sammelnamen „Leute, die ich nie sehe” zusammenfasste.
Die Überraschung der Geladenen war
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