Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)

Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)

Titel: Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Duncker
Vom Netzwerk:
lateinischen Gesanges waren verhallt. Die Nonnen in ihren grauen Schleiern, die langen brennenden Kerzen in den Händen, waren durch den Kreuzgang ins Innere des Klosters verschwunden. Die Äbtissin mit ihnen.
    Erschöpft von der wilden Flucht, seit gestern Abend ohne Speise und Trank, war Louise von La Vallière auf einer Steinbank in der Nähe des offenen Grabes niedergesunken. Dunkle Zypressen, an denen die Morgennebel wie vergossene Tränen niederrannen, fassten den Ruhesitz ein. Um wenige Schritte weiter ragte ein mächtiges eisernes Kreuz mit lateinischer Inschrift in die graue Luft. Unweit der Steinbank rauschte ein Brunnen.
    Louise ließ die Blicke geistesabwesend über die fremde Umgebung schweifen. Dann barg sie das zerquälte Haupt in beide Hände. Sie fröstelte. Der Atem stockt ihr. Ein Grauen vor dieser toten Stille packte sie an. Mit eisigen Händen schien sie nach ihr zu greifen, sich klammernd und erstickend um ihr warmes, sehnsüchtiges Herz zu legen.
    Verzweifelt stöhnte sie auf. Ihr ganzes Sein bäumte sich gegen den lastenden Alp. Ihre Gedanken flogen weit fort von diesem traurigen Ort, zu dem Mann, den sie verlassen, den sie tödlich gekränkt hatte.
    Würde er ihr jemals verzeihen? Würde sie jemals die geliebte Stimme wieder hören, die noch gestern so heiß und zärtlich um sie geworben hatte? Würde sie seine majestätische Gestalt, sein schönes Antlitz, die sprühenden lebhaften Augen jemals wiedersehen, jemals wieder den Druck der geliebten Hand in der ihren, jemals wieder seinen Kuss auf ihren bebenden Lippen fühlen?
    Ach, während sie hier vereinsamt in der grauen Stille saß, allein mit ihrer Verzweiflung, lächelten seine Augen — ahnungslos noch — vielleicht einer anderen zu, hörten ihr verhasste Menschen seine geliebte Stimme, drückten seine Lippen einen Kuss auf einer anderen Hand!
    Louise sprang auf wie von Furien gepeitscht. Von der Nähe des offenen Grabes fort stürzte sie in den Kreuzgang und lauschte vorgebeugten Leibes zum Kloster hinüber. Nichts, kein Laut — überall dieselbe Stille.
    Verzweifelt umschlang sie eine der schlanken Säulen und barg ihr Haupt an dem kalten Stein. Tränen stürzten lindernd aus ihren Augen. Aus der grüngrauen Öde des Kirchhofs stieg das Bild der jungen leidenden Königin vor ihr auf und grüßte sie mit vertrauenden Augen.
    Hatte sie dennoch recht getan, um dieser willen?
    Langsam schritt sie zur Steinbank zurück und lehnte das müde Haupt gegen die Lehne. Lange saß sie so, von dem Murmeln des Brunnens in einen Halbschlaf gewiegt, der sie allem Gegenwärtigen entrückte.
    Ein Lärmen schreckte sie auf. Klappernde Pferdehufe, das Klirren eiserner Riegel. Wo war sie? Was ging hier vor?
    Nonnen huschten an ihr vorbei, gespenstisch grau, wie flatterndes Nachtgetier.
    Sie fragte — niemand antwortete ihr. Alles schien geheimnisvolle Eile. Die ganze Luft war von Rätseln angefüllt.
    Vom Kreuzgang drang Rufen und Murmeln. Plötzlich ein betäubend lärmendes Geräusch. Draußen war das große Gitter aufgeschlossen worden, das sich nur bei der Ankunft des Erzbischofs oder eines Mitgliedes der königlichen Familie öffnete.
    Louise sprang auf. Was war das? Ihr Herz schlug laut in jubelnder Erwartung. Gleichzeitig drohte die Angst sie zu ersticken.
    Eine Gruppe Nonnen nahte sich ihrem Ruhesitz. Zwischen den wehenden Schleiern der frommen Schwestern von Sainte-Marie erkannte sie den einzig geliebten Mann — ihn — den König!
    Ein Glück ohnegleichen erfüllte ihre Seele. Er kam — er folgte ihr — er liebte sie — sie war sein — musste es sein!
    Im gleichen Augenblick aber drang wie ein spitziges Schwert die Erkenntnis in ihr Herz: Trotz allem — nein — es durfte nicht sein — heute nicht — niemals! Und ehe der König sie noch erreicht hatte, flüchtete sie in den Schatten des großen schwarzen Kreuzes und umfing das kalte Eisen mit bebenden Händen.
    Die Nonnen waren hinter den dunklen Zypressen verschwunden. Der König stand neben ihr, jung, schön in aller seiner Herrlichkeit, und streckte die Hände nach den ihren aus.
    „Louise”, rief er mit schmerzverzerrter Stimme —„Louise, wie konnten Sie mir das antun?
    Warum fliehen Sie vor mir? Warum geben Sie mich der Verzweiflung preis? Was habe ich Ihnen getan? Sie wissen, ich kann ohne Sie nicht leben, und Sie verlassen mich? Ein anderer gab Ihnen diesen grausamen Rat! Dieser traurige Entschluss, er kam nicht aus Ihrem Herzen!”
    Louise stand mit geschlossenen Augen,

Weitere Kostenlose Bücher