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Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)

Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)

Titel: Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Duncker
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Louise den Weg nicht sehen konnte, den sie fuhren. So verwirrt war sie, dass sie jeden Maßstab für die Entfernung verloren hatte.
    Plötzlich machte die Straße eine scharfe Biegung. Sie mochten in eine andere Windrichtung gekommen sein. Die Flocken wurden in schräger Linie von dem Wagenfenster fortgepeitscht.
    Es dauerte eine Weile, bis Louise sich in den schlecht beleuchteten Straßen zurecht fand. Der Wagen fuhr an einer halb abgebrochenen Festungsmauer vorbei. Hier und dort ragte ein Turm durch das Halblicht — jetzt wurde eine eben durchgebrochene Gasse sichtbar — Gräben — eine einseitig bepflanzte Baumallee. — Und dann plötzlich tat sich ein förmliches Labyrinth enger, tiefer, schmutziger Straßen vor ihr auf.
    Louise sprang auf, mit erschreckten Augen und bleich gewordenem Gesicht. Das war nicht der Weg nach dem Luxembourg. Längst hätten sie dort sein müssen. Hatte der Herzog das Ziel Luxembourg überhaupt genannt? Mein Gott, was hatte man mit ihr vor?
    Sie packte den Arm des Herzogs.
    „Herr von Saint-Aignan — wo fahren Sie mich hin? Um Jesu Christi willen, lassen Sie den Kutscher umkehren, bringen Sie mich zu Madame zurück!”
    Der Herzog beruhigte. Vergebens. Louise stürzte ihm zu Füßen. Von dem Schaukeln des Wagens auf der schlechten Straße, durch deren Mitte ein Rinnstein lief, hin und her geschleudert, umklammerte sie seine Knie.
    „Ich beschwöre Sie, Herzog, bringen Sie mich zu Madame zurück!”
    Saint-Aignan hob das verängstigte Mädchen auf. Zwischen den Zähnen murmelte er: „Das kommt von der verwünschten Romantik! Ich dachte es mir gleich.”
    Louise schluchzte und bat. Grässliche Bilder malte ihre Fantasie ihr aus. Gräueltaten wie Entführung, Raub und Mord, von denen die Romane der zeitgenössischen Dichter und Dichterinnen wimmelten.
    Louise ergriff den Wagenschlag und wollte, sinnlos vor Angst, in die Dunkelheit hinausspringen. Der Herzog hielt sie bei den Schultern zurück.
    „Um Gottes willen, Fräulein von La Vallière! Beruhigen Sie sich doch. Ich will Ihnen die Hälfte des Geheimnisses enthüllen. Wir fahren zu mir — Freunde erwarten Sie dort. Sehen Sie nur, jetzt kommen wir über die Seine, jenseits der Brücke ist Paris wieder hell und licht.”
    Wirklich war es, wie der Herzog sagte. Langsam fing Louise sich zu beruhigen an. Sie trocknete die Augen. Sie strich das wirre Haar aus der Stirn. Sie rieb die eiskalten Hände.
    Was mochten es für Freunde sein, die sie bei Saint-Aignan erwarteten?
    Sie fragte scheu und verschüchtert. Sie schämte sich jetzt ihrer kindischen Angst, jetzt, da es wieder hell um sie war und sie jenseits der Seine in eine der elegantesten Straßen von Paris einbogen.
    „Wir sind zur Stelle”, sagte der Herzog, „Sie werden selbst sehen.”
    Der Wagen hielt vor einem altertümlichen vornehmen Palais. Alle Fenster waren erleuchtet und durch rote seidene Vorhänge gegen die Straße zu verhängt. Ein magisches, geheimnisvolles Licht fiel auf das Pflaster. Wieder jagte eine heiße Angst durch die Glieder des Mädchens. Der Herzog klopfte dreimal mit dem schweren Silberknopf seines Stockes gegen die Tür. Sie wurde von innen geöffnet, ohne dass ein Mensch sichtbar wurde.
    Als Louise zaghaft den Fuß auf die erste Stufe der mit weinroten Teppichen ausgelegten Treppe setzte, ertönte hinter einem schweren Gobelinvorhang leise Musik. Langsam stieg sie, von dem Herzog geleitet, bis in den ersten Stock. Nirgends ein Mensch. Nur die leisen Klänge der Violinen schienen mit ihnen aufwärts zu steigen, und der süße Duft von Rosen und Orangen, die in großen goldenen Kübeln zu beiden Seiten der Treppe aufgestellt waren.
    Das Herz schlug Louise zum Zerspringen. Der schwere Mantel war längst ihren Schultern entglitten. Aber selbst an dem leichten, weißen, goldbestickten Kleid hatte sie Zentnerlasten zu tragen. Eine Ewigkeit schien es ihr zu dauern, bevor sie am Arm des Herzogs den ersten Stock erreicht hatte. Schwer aufatmend blieb sie stehen, die Hand auf das Herz gepresst.
    Unmerklich löste der Herzog Fräulein von La Vallières Arm aus dem seinen und öffnete die Tür zu einem Gemach rechts von der Treppe. Blumenduft und künstliche Wohlgerüche schlugen ihr — betäubend fast — entgegen. In der Tür, hoch aufgerichtet, strahlenden Antlitzes, stand der König.
    Ein leiser Ruf, halb des Erstaunens, halb der Freude, kam von Louises Lippen.
    „Sie hier, Sire?”
    „Ja ich, Louise.” Und schon hielt er sie in seinen Armen. „Ich

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