Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
sich umwandte, sah sie Rosalie im Reisehut und Mantel auf sich zustürzen.
Allen Respekt vergessend, fiel die kleine Gilbert der Jugendgespielin um den Hals. Zwischen Lachen und Weinen rief sie aus: „Gott sei Dank, Fräulein Louise, dass Sie aus dem grässlichen Kloster wieder heraus sind!”
Am liebsten hätte die kleine Wilde einen Freudensprung gemacht, hätte sie sich nicht zur rechten Zeit erinnert, in welch vornehmer Umgebung sie sich befand. Sie zog das Fräulein, nachdem sie ihm ungezählte Male die Hände geküsst und gestreichelt hatte, freudestrahlend in den Kaminwinkel und nestelte zwei Briefe aus ihrem Mantel.
„Ich komme in geheimer Mission”, flüsterte sie verschmitzt.
Louise griff hastig zuerst nach dem kleineren Briefchen. Abgewandten Hauptes öffnete sie es. Es kam vom König und enthielt nur drei Worte, die sie befreit aufatmen ließen:
„Alles in Ordnung.”
Das zweite Schreiben kam aus dem Kabinett Madames. Sie durfte es jetzt ohne Herzklopfen öffnen. In der Tat enthielt es nur die Order, nächsten Tages früh um zehn Uhr den Dienst bei Madame im Palais Royal anzutreten, da die Prinzessin und der Hofstaat noch heute von Fontainebleau aufbrächen.
Rosalie hatte mit schelmischen Augen auf ihre Herrin geblickt. Nachdem Louise zu Ende gelesen, sagte die Kleine triumphierend: „Ich wusste schon alles.”
Dann kicherte sie wie ein kleiner Kobold.
„Laporte hat mir's erzählt. Der König hat eine schreckliche Szene mit Madame wegen des Fräuleins gehabt. Aber Madame hat nachgegeben und dem König das feierliche Versprechen geben müssen, das Fräulein nichts entgelten zu lassen, es in Gnaden wieder aufzunehmen, als sei nichts geschehen.”
„Ich bin dem König sehr dankbar”, sagte Louise innig. Und für sich fügte sie hinzu: „Ich habe solche Freundschaft nicht verdient.”
Die muntere Rosalie überließ die Herrin nicht lange ihren Gedanken.
„Ich habe das Nötigste an Toiletten mitgebracht, Fräulein Louise. Das Fräulein kann hier doch unmöglich in dem alten grauen Reisekleid wie eine Nonne spazieren gehen. Alles Übrige bringen die Gepäckwagen. Und dann” — jetzt war es an Rosalie, den Kopf zu wenden und die Augen niederzuschlagen. „Ich hätte eine Bitte an das Fräulein.”
„Sprich nur, Rosalie.”
„Da das Fräulein heute Nacht noch bei der Frau Marquise ist — wenn ich für den Abend Urlaub erbitten dürfte.”
„Gern, Rosalie.” Und mütterlich sorgend fügte Louise hinzu: „Vorausgesetzt, es ist nichts Unrechtes, womit du deinen Urlaub verbringen willst?”
Rosalie blickte ihre junge Herrin aus treuherzigen Augen an.
„Ganz bestimmt nicht, Fräulein Louise. Herr Armand — der Uhrmacher Seiner Majestät — möchte mich mit seiner Schwester, Frau Bastienne, bekannt machen. Sie hält einen Spezereiladen in Saint-Honoré.”
Rosalie war zwar ein wenig rot geworden, aber sie senkte den Blick nicht, als sie hinzufügte: „Etwas Unrechtes, nein. Das würde ich meinem guten Vater niemals antun.”
In ihrem ersten jungen Glück merkte die kleine Gärtnerstochter nichts davon, dass Louise von La Vallière Tränen in den Augen standen und ein schmerzlicher Zug um ihre Lippen zitterte.
Madame langweilte sich im Palais Royal. Der König war in Fontainebleau geblieben, um die Niederkunft der Königin abzuwarten. Der Graf von Guiche hatte seinen Urlaub auf dringendes Anraten des Königs dazu benutzt, seinen Vater, den Marquis von Grammont, zu besuchen.
Von Tag zu Tag wurde Henriette launenhafter. Niemand konnte es ihr recht machen. Sie quälte ihre Umgebung bis zur Unerträglichkeit. Kaum hatte sie den Befehl zu einer Ausfahrt gegeben, kaum standen die Damen vom Dienst zur Begleitung bereit, als sie die Ausfahrt wieder abbestellte, sich mit Kopfschmerzen auf ein Sofa warf und sich stundenlang vorlesen ließ.
Zumeist wurde Fräulein von La Vallière zu diesem Dienst befohlen. Zwar hatte Madame Wort gehalten und Louise ihre Flucht nicht entgelten lassen. Von Zeit zu Zeit aber konnte sie es sich doch nicht versagen, eine Anspielung zu machen und das Fräulein von La Vallière dabei spöttisch durch ihr Lorgnon zu mustern.
Auch heute sah die schöne Henriette, den Arm in die Kissen gestützt, dem jungen Mädchen, nicht ohne Mockerie, zu, wie es geduldig an ihrem Lager saß. Das Fräulein las aus Molières neuestem Werk „L'école des maris” vor, das so bald als möglich am Theâtre du Palais Royal aufgeführt werden sollte, um die Scharte auszuwetzen, die
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