Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
Feinde zu schonen, Herr werden, willst du dich ihnen nicht rettungslos in die Hände geben!”
Sie blickte ihn dankbar an. Ja, er hatte Recht, wie in allen Dingen. Sie musste sprechen, und sie sprach.
Der König war außer sich. Er riss an dem Mantel, den er noch nicht abgelegt, weil ihm nur kurze Zeit vor dem Ministerrat blieb. Er ballte die Fäuste, seine Augen sprühten Zorn und Wut.
„Ich werde sie in die Bastille schicken, das verwünschte Weib!”, schrie er laut.
Bleich und zitternd stand Louise vor ihm.
„Hätte ich nicht gesprochen!”, flüsterte sie.
Er hörte gar nicht auf sie.
„Ist dein Haushofmeister zugegen?”
Louise bejahte. Der König riss die Tür auf und rief laut nach Monsieur Bonpart.
„Majestät befehlen?”
„Rasch hinüber in den Louvre. Kommen Sie mit meinem kleinen Wagen zurück. Einfachste Livree. Lassen Sie sich bei dem Herrn Minister Colbert melden. Ich bitte, den Ministerrat auf eine Stunde zu vertagen!”
Eine Viertelstunde später trat der König unangemeldet bei Olympia Mancini ein. Die Soissons saßen gerade beim Frühstück. Die Gräfin schickte die Kinder mit ihrem Erzieher fort; der Ausdruck des Königs bedeutete nichts Gutes.
Sobald sie allein waren, packte der König sie beim Handgelenk und schüttelte sie heftig.
„Wie konnten Sie das Fräulein von La Vallière so empörend beleidigen? Laut genug, dass der ganze Hof es gehört hat.”
Olympia zuckte kaltblütig die noch immer schönen Schultern.
„Ich bin von Eurer Majestät schwerer beleidigt worden.”
Der König ahmte ironisch ihre Bewegung nach.
„Ich bedaure, unhöflich werden zu müssen, Gräfin — ich war ein blutjunger Mensch, und Sie, als echte Mazarin, verstanden es nur zu wohl, mich in Ihre bestrickenden Netze zu locken. Wir haben es meiner Mutter zu danken, dass sie uns beide rechtzeitig voneinander befreit hat.”
„Ich danke es ihr nicht”, rief Olympia heftig, „aber ich bin großmütiger als Sie, Sire, wenn ich trotzdem auf der Seite der Königinnen stehe. Es ist nicht meine Schuld, dass Ihre Majestät, die Königin Marie Thérèse, nicht früher vor einem gewissen Fräulein aus der Touraine gewarnt worden ist!”
Sie schrie es laut heraus.
„Mäßigen Sie sich, Gräfin!”
Sie hörte ihn gar nicht. In ihrer lang aufgespeicherten Wut gegen den König, die seit Jahren wie eine unterdrückte Flamme in ihr loderte und nun plötzlich mit alles vernichtender Gewalt zum Ausbruch drängte, vergaß sie alles, bis auf den vermeintlichen Schimpf, den der König ihr angetan, da er sie nicht auf den Thron Frankreichs erhoben hatte.
„Es ist nicht meine Schuld, Sire”, wiederholte sie beinahe kreischend, „bei Jesu Christi blutigem Kopf schwör' ich's —” sie hob den Finger gen Himmel — „dass der spanische Brief an die Königin nicht geschickter überbracht worden ist, dass er der Moliña —”
Der König schrie auf, wie ein verwundetes Tier. Seine Stimme hatte nichts Menschliches mehr. Er fiel ihr in die hochgehobene Schwurhand, er stürzte sich auf sie, als ob er sie würgen wollte.
„Verflucht! Das waren Sie Teufelin!”, stieß er atemlos hervor.
„Ihre Mitschuldigen? Heraus mit der Sprache!” Olympia zuckte wiederum mit den Schultern. „Ich habe mich verraten”, sagte sie kalt. „Andere verrate ich nicht.”
Der König fuhr sich an den Kopf.
„Und die Navailles? Wie Recht hatte Louise, dass sie unschuldig waren!”
„Der dreijährige Provinzaufenthalt wird ihnen nichts geschadet haben.”
Der König hörte nicht mehr auf die Insolenz der zügellosen Frau.
„Sie werden den Hof nicht mehr betreten, Frau Gräfin von Soissons. Unsere weiteren Entschlüsse werden Ihnen zugehen.”
Mit majestätischer Gebärde warf der König den Mantel um die Schultern, bewegte den Kopf kaum merklich zu einem eisigen Gruß, und verließ das Hôtel Soissons, um es nie wieder zu betreten.
Eine Stunde nach dem König ließ sich der Marquis von Vardes bei der Gräfin melden. Er war kein häufiger Gast mehr im Hôtel Soissons. Seit Guiche in Polen im Feld stand, war ein Platz bei Madame frei geworden, auf den der Marquis von Vardes die meiste Anwartschaft hatte.
Überdies zog ihn Henriette von Englands milder gewordenes Wesen ungleich mehr an als das immer mehr in gehässige Leidenschaft ausartende Temperament der schwarzen Olympia. Dennoch wagte er es nicht, ganz mit ihr zu brechen. Als Mitschuldiger an dem Komplott gegen die La Vallière fürchtete er Olympias möglichen
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