Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
Verrat.
Die Gräfin hatte einen Augenblick gezweifelt, ob sie den Marquis empfangen sollte. Dann hatte sie einen raschen Entschluss gefasst. Sie hatte nicht mehr viel Zeit zu verlieren. Sie kannte den König. Er würde nicht lange zögern, ihr den Ausweisbefehl aus Frankreich — oder Schlimmeres — zukommen zu lassen. Was geschehen musste - was sie sich bei allen Heiligen gelobt —, musste rasch geschehen.
Sie wollte Vardes empfangen, ohne mit einer Silbe des Königs Besuch bei ihr zu erwähnen. Sie wollte stark genug dazu sein, und sie war es.
Während Olympia letzthin kleine Eifersüchteleien zur Schau getragen hatte, empfing sie Vardes heute mit besonderer Liebenswürdigkeit. Sie bedauerte, dass er nicht eine Stunde früher, zum Frühstück, gekommen sei, bemerkte seinen neuesten Justeaucorps aus feinstem braunem Tuch mit goldenen Broterien, fragte ohne Sticheleien nach Madame und was es sonst in Paris Neues gäbe.
Der Marquis schmunzelte.
„Sollten Sie den neuesten Pariser Skandal wirklich noch nicht kennen, Gräfin?”
„Welchen, Marquis?”
„Den der Herzogin — ”
Er beugte sich zu ihr hinüber und flüsterte einen Namen, der einen guten Klang bei Hofe hatte. Olympia, mit ihren Gedanken ganz woanders, bewegte verneinend den Kopf.
Vardes bemerkte nichts von ihrer Zerstreutheit.
„Sie wissen, Gräfin, dass ein gewisser Jemand, der der Herzogin sehr nahe steht, vor vierzehn Tagen die Nichte der Herzogin geheiratet hat.”
„Ja, ich weiß.”
„Aber Sie kennen nicht den pikanten Beigeschmack dieser Ehe. Also hören Sie. Die Herzogin bat ihren Geliebten an seinem Hochzeitstag, sie gleich nach der Rückkehr von der Kirche aufzusuchen.”
„Allein?”
„Natürlich! — Die junge Frau wäre bei diesem Besuch schlecht am Platz gewesen. Die Herzogin bat ihn nämlich, alle Tage mit ihr zu schlafen, damit wenn die Nacht heran käme, ihre Nichte nur den Rest von ihm hätte.”
Vardes lachte frivol.
„Und, ist er darauf eingegangen?”, fragte Olympia zerstreut.
„Freilich ist er's!”
„Unbedingt muss die Herzogin sich einen Liebestrank von der Voisin verschafft haben, denn sonst — ”
Vardes zuckte bei dem Namen der Voisin zusammen. Er konnte die Drohung der Gräfin während des Turniers nicht vergessen, da er als römischer Held vor ihr gestanden hatte.
„Einen Liebestrank hat die Herzogin nicht nötig. Sie bezahlt den jungen Ehemann sehr nobel, und da er Geld braucht — man sagt, sie gibt ihm eine monatliche Pension von zwölfhundert Francs — ”
„Sie hätte billiger dazu kommen können, die gute Herzogin”, bemerkte die Gräfin verächtlich. „Liebhaber sollen jetzt wohlfeiler sein als die Weiber auf dem Straßenstrich am Palais Royal.”
Nun stand Olympia plötzlich auf und sagte mit kaum mehr beherrschter Erregung: „Haben Sie Zeit, Marquis? Ich möchte Sie bitten, mich auf einer Besuchsfahrt zu begleiten.”
Im gleichen Augenblick fuhr der längst bestellte Wagen vor.
Aus der Hütte der Voisin stieg ein elender, übel riechender Rauch. Die Geschäfte drängten. Bestellungen über Bestellungen waren eingelaufen.
Das Laboratorium, in dem Monsieur Pierre und Monsieur Gaston mit Hilfe des schielenden Totengräbers arbeiteten, stand weit geöffnet. Die dicke kleine Voisin lief geschäftig zwischen Herd und Laboratorium hin und her. Sie probierte eine neue oder vielmehr eine uralte Mischung ihrer italienischen Kollegin Toffa, die „aqua Toffana” aus arsenigen Säuren mit einem Extrakt der „herba cymbelleria” als Zusatz. Es war nur ein Versuch, von dem sie sich nicht sonderlich viel versprach, den sie aber auch nicht ganz unterlassen wollte.
Während die giftigen Säfte kochten, hielt die Alchimistin, wie sie sich gern nennen hörte, mit ihren Helfershelfern Zwiesprache.
„Seid ihr mit dem Diamantpulver bald fertig? Es wird um ein Uhr abgeholt, hilft zwar nicht viel, wird aber gut bezahlt. Hundert Louisdor!”
Die Voisin schnalzte mit der Zunge.
„Sind die vergifteten Klistiere in Bereitschaft? Die lustige Blanche hat Eile, ihren Mann loszuwerden. Der Nachfolger wartet schon. Hat der Lump von Drogist heute genug Arsenik geliefert?”
Pierre und Gaston antworteten, ohne die Hände dabei ruhen zu lassen. Plötzlich fuhr die Voisin den Schieläugigen an.
„Teufel, kannst du nicht Ordnung halten? Die giftigen Salze und das Sublimat gehören rechts auf das Regal.”
Mit einem Mal hörten die Männer zu arbeiten auf und bogen die Köpfe nach der
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