Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
Mutter betrauerte, wurde er nach und nach inne, dass dieser Tod ein doppeltes Gesicht für ihn trug.
Er vermisste ihre stete Liebe, ihre treue Sorge für seine Person und den Staat, aber zugleich auch war ihm eine Last von der Seele genommen. Die starke Individualität seiner Mutter hatte, ohne dass sie es je versucht, einen tatsächlichen Zwang auf ihn auszuüben, oft, ihm selbst erst nach und nach bewusst, hemmend und störend in seine Entschlüsse eingegriffen. Ihre starke Hand hatte ihn geführt, während er selbst der Führende zu sein glaubte.
Jetzt erst war er ganz frei, jeder Rücksicht ledig, ganz er selbst!
Hoch aufgerichtet, die Hand auf die Brust gepresst, schwor Louis, der Sonnenkönig, sich eine Selbstherrlichkeit, eine Willensfreiheit ohne Grenzen zu. Unbewusst prägte er in diesem Augenblick den für sein Wesen charakteristischen Begriff: L'état c'est moi.
V
Louise war mit dem Hof in Vincennes, obwohl sie ihre nahe Niederkunft erwartete. Vergebens bat sie den König, der Königin die Kränkung zu ersparen, in ihrem eigenen Schloss dies Kind der Liebe geboren werden zu sehen. Aber Louis ließ nicht mehr mit sich handeln.
„Zaghaft wie immer, meine geliebte kleine Louise! Seit meine Mutter tot ist, habe ich auf niemand mehr Rücksicht zu nehmen, ich habe dir's bereits mehr als einmal gesagt. Die Königin und der Hof haben dich als meine Geliebte anerkannt, sie werden auch die Folgen zu tragen wissen. Ich will nicht, dass du dich vor ihnen versteckst. Ich betrachte es sogar als ein günstiges Omen, dass dies Kind angesichts meines Hofes zur Welt kommt. Du weißt, ich verhieß dir, es würde uns erhalten bleiben, es würde ein schönes und starkes Kind sein.”
„Wäre es so”, meinte sie mutlos.
„Es wird so sein. Hoffentlich werde ich in deiner schweren Stunde bei dir sein können, meine kleine Louise!”
Das Schloss von Vincennes schien nur für Feste und Lustbarkeiten gebaut zu sein.
Kein Raum für Krankheit oder stille Einkehr war vorhanden. Eine Flucht glänzender Zimmer für Empfänge und Gesellschaften, dazwischen dann und wann ein kleines Durchgangszimmer, das man passieren musste, um zu den Gesellschaftsräumen zu gelangen. Eines dieser kleinen Zimmer bewohnte Louise. In ihm sollte ihr und des Königs drittes Kind zur Welt kommen.
Louise war in Verzweiflung! Wie in diesem engen Raum, den die Hofgesellschaft, ja die Königin jeden Augenblick durchschreiten konnte, entbinden, ohne dass jedermann Zeuge war? Wohin ihre Schande verbergen, da diese Schande an offener Straße lag? Wie ihre Seufzer ersticken, dass sie nicht um wenige Schritte weiter belächelt und bespöttelt wurden?
Und ein Kind in so folternder Angst geboren sollte zu Leben und Glück bestimmt sein? Sehnsüchtig dachte sie an die trauliche Heimlichkeit des kleinen Palais Brion unter den schützenden Bäumen des alten Gartens zurück.
Ein Zufall fügte es, dass der König nicht zugegen war, als die schwere Stunde nahte, in der er sie noch nie verlassen hatte. Er war in der Morgenfrühe nach Versailles aufgebrochen und besuchte auf dem Rückweg die neue Spitzenfabrik in der Rue Quincampoix. Schlimmer noch als die Abwesenheit des Königs fiel ins Gewicht, dass sich die Geburt am hellichten Tag ankündigte, während das ganze Schloss voll lebhafter Unruhe und Bewegung war.
Louise ließ Boucher rufen, der sich auf Befehl des Königs schon seit vierzehn Tagen in Vincennes aufhielt. Die Kammerfrau war eben gegangen, den Arzt zu holen, als die Tür von einem der großen Säle zu Louises Zimmer sich öffnete.
Sie glaubte, es sei Boucher, und wankte ihm entgegen. Indes es war Madame, die sich in Grande Toilette zur Königin begab. Sie streifte Louise mit einem halb mitleidigen, halb mokanten Blick.
Gleich darauf kam die Kammerfrau mit Boucher zurück. Louise rang die Hände.
„Es ist die höchste Zeit, Boucher. Ich beschwöre Sie, entbinden Sie mich, ehe Madame zurückkommt.”
„Nur Geduld, mein liebes Fräulein von La Vallière. Wir wollen sehen, was sich tun lässt, und die Rücksicht nicht vergessen, die wir Seiner Majestät dem König schuldig sind!”
Die Geburt ging diesmal leichter und schneller noch als die des kleinen Philippe vonstatten. Aber während Louise im Palais Brion ihre kleinen Knaben wenigstens für Stunden bei sich behalten hatte, wurde ihr ihre Tochter schon nach den ersten Minuten geraubt. Des Kindes erster Schrei wurde in Rücksicht auf den Hof erstickt, wie die Mutter ihre Seufzer
Weitere Kostenlose Bücher