Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
Ihre unruhigen Mienen verdüsterten sich. Hastig und sehr entschieden sagte sie: „Die Pastete kommt nicht vom König. Auf einem solchen Gerät würde der König es nicht wagen, Ihnen etwas anzubieten. Das Gestotter des tölpelhaften Jungen hat mich schon stutzig gemacht. Ich gestatte in keinem Fall, dass Sie von der Pastete essen.”
Louise erschrak.
„Was befürchten Sie, Artigny? Glauben Sie wirklich, dass es Menschen gibt, so schlecht, dass sie mir in des Königs Namen Schaden zufügen könnten?”
„Sogar nach Ihrem Leben trachten, meine arme Louise”, sagte die Artigny ernst und schwer.
Schaudernd wandte Louise sich ab. Der Appetit und die Freude an der Unterhaltung war ihnen vergangen. Die Artigny brach auf und nahm die Pastete an sich, um sie untersuchen zu lassen.
Zwei Tage später erfuhr Louise, dass sie von Kantharidenpulver völlig durchsetzt gewesen sei. Sie weinte und betete lange Stunden. Was tat sie den Menschen, dass sie ihr nach dem Leben trachteten? Ihre heiße Liebe zu dem König war eine schwere Sünde vor Gott, den Königinnen und ihrem Gewissen, sonst aber hatte sie keinem Menschen auf der Welt wissentlich jemals ein Übles damit getan.
Sie trug ihren Kummer still für sich. Dem König, der im Augenblick so schwer um seine Mutter litt, von dem Anschlag zu erzählen, hätte sie nicht übers Herz gebracht. Die Artigny war anderer Meinung. Sie wollte den König sofort verständigen und ihm nicht verhehlen, wen sie für die Schuldigen hielt!
Doch ehe sie noch dazu gekommen war, gab es einen neuen Schrecken im Palais Brion.
Um kaum eine Woche später, als Louise sich zur Ruhe begeben hatte und eben im Begriff war einzuschlafen, schlug die kleine Hündin, die der König ihr kürzlich zum Geschenk gebracht, an. Louise schreckte mit einem lauten Schrei auf. Vorgebeugten Hauptes hörte sie ein Klappern an den Fensterscheiben, sich entfernende Schritte im Nebengemach. Bleich und zitternd flüchtete sie aus dem Bett in das Zimmer des jungen Mädchens, das seit Rosalies Verheiratung den Dienst bei ihr versah.
Am nächsten Morgen fand man unter den Fenstern des Palais Brion eine Strickleiter und Diebeswerkzeuge.
Als der König wenige Stunden später ins Palais kam, fand er Louise noch zitternd vor Schrecken, kraftlos, ihm die Anschläge länger zu verheimlichen, die man gegen sie führte.
Louis wurde bleich vor Zorn und Sorge. Er hatte einen verhassten Namen auf den Lippen. Er sprach ihn nicht aus, aber er schwor sich zu, dass die Stunden der Soissons auf französischem Boden gezählt sein sollten.
Am selben Abend noch standen Wachen um das kleine Lusthaus, und Louis selbst entsendete einen seiner treuesten Diener, den Neffen Laportes, als Haushofmeister in das Palais Brion mit dem strengen Befehl, unter Androhung seiner allerhöchsten Ungnade, jede Speise zu kosten, die auf den Tisch des Fräulein von La Vallière kam.
Am selben Abend auch erhielt die Gräfin Soissons, geborene Olympia Mancini, den königlichen Befehl, binnen vierundzwanzig Stunden Frankreich mit ihrer Familie zu verlassen und es bei Strafe der Bastille nicht wieder zu betreten.
Der König teilte seiner Schwägerin selbst die Verbannung ihrer einstigen Freundin mit. Obwohl er mutmaßte, dass Henriette an dem Komplott des spanischen Briefes nicht unbeteiligt gewesen, rührte er nicht an ihre Person. Er wusste, sie war ruhiger geworden, seit sie nicht mehr unter Guiches Einfluss stand. Er hätte die Hand dafür ins Feuer gelegt, dass sie von den geheimen Anschlägen auf das Leben des Fräulein von La Vallière keine Ahnung hatte. Um einer Gräueltat wie die der Soissons fähig zu sein, war sie denn doch zu vornehmen Sinnes.
Zudem gehörte Henriette nicht nur zu seinen nächsten Verwandten, sie war auch die Schwester des stetig an Macht und Ansehen gewinnenden Karls II. von England. Er musste sie schonen, durfte sie um keinen Preis an den Pranger stellen.
Auch Madame verriet ihre Mitschuldigen nicht, ebenso wenig wie es Olympia getan. Der König aber hatte aus dem einstmaligen intimen Zusammenhang dieser vier Menschen längst erraten, dass nicht die Liebe, sondern der Hass sie so lange zusammengehalten, dass alle vier — wenn auch vielleicht nicht im gleichen Maße — schuldig waren.
Gegen Vardes insbesondere war des Königs Misstrauen seit langem rege. Seit die Unschuld der Navailles erwiesen war, war der Marquis für ihn abgetan. Zudem war dem König das Gerücht zu Ohren gekommen, Vardes sei in Villeneuve-sur-Gravois
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