Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
während der Geburt erstickt hatte.
Louise hatte im Augenblick keine Gedanken für dieses Kind, das sie trotz des Geliebten Prophezeiungen dem Tode geweiht glaubte, wie ihre Erstgeborenen. All ihre Gedanken, all ihre Sorgen galten in dieser Stunde der Königin, die um keinen Preis erfahren durfte, was sich unter ihrem Dach begeben hatte.
Mit heroischer Selbstüberwindung befahl Louise, das kleine Zimmer ganz mit grünen Pflanzen und stark duftenden Tuberosen anzufüllen, obwohl sie wusste, wie gefährlich, ja unter Umständen todbringend der betäubende Duft der Tuberose für eine Frau in ihrem Zustand war.
Sie ließ sich in ein Kleid hüllen, weiß wie die Farbe ihrer Wangen, sie empfing um wenige Stunden nach der Geburt Besuche, sie gab vor, eines leichten Kopfschmerzes halber das Bett auf kurze Zeit hüten zu müssen.
In der kommenden Nacht fand die „médianoche”, ein Mitternachtsschmaus nach dem Fasttag, den Anne d'Autriche eingeführt hatte, statt. Der König war noch nicht zurück. Niemandem gelang es, Louise von La Vallière von dem mit eisernem Willen durchgeführten Vorsatz abzuhalten, der médianoche beizuwohnen.
Als der König bei seiner Rückkehr von diesem Verbrechen an der Gesundheit des geliebten Weibes erfuhr, tobte er und machte Boucher und die ganze Umgebung Louises in den härtesten Worten verantwortlich.
„Ihr werdet sie töten, wenn ihr sie nicht schon getötet habt!”, schrie er laut.
Dann stürmte er zu Louise, die auf ihrem Engelsbett, selbst ein bleicher Engel, lag. Er stürzte zu ihren Füßen nieder und bedeckte ihre blassen Hände mit seinen Küssen.
„Wie konntest du mir das tun?”, rief er halb im Zorn, halb in überströmender Zärtlichkeit. Sie legte ihm die Hand sanft auf die Stirn.
„Es musste sein — der Königin halber!”
Er schwieg und sah sie lange nachdenklich an. Ein leiser Schatten flog über sein Gesicht. Sie lächelte ein wenig wehmütig.
„Ich weiß, was du denkst — ich habe mich verändert — ich bin nicht mehr so, wie du mich gern gesehen! Glaubst du, ich wüsste es nicht längst, dass der Kummer an mir genagt hat!?”
Als er nicht antwortete, strich sie ihm nochmals sanft über die gesenkte Stirn.
„Mein Louis, wenn ich auch nicht mehr so reizend bin, wie du mich einst geliebt, unsere kleine Marie-Anne ist es umso mehr. Stark ist sie und schön, wie du es prophezeit, sagt Boucher mir. Wenn ich einmal nicht mehr bin, wird sie dein Stolz und deine Freude sein, wird sie dir deine Louise ersetzen.”
„Sprich nicht so, Louise, ich bitte dich!”
Sein Antlitz hellte sich nicht auf. Seine Augen hafteten still, beinahe wehmütig auf den ihren. Auch er fühlte und sah, die Jahre mit ihrem Ernst und ihren Sorgen waren über dieses holde Blumenangesicht gegangen und hatten ihm den ersten Schmelz geraubt.
Die Königinmutter war jedem Gedanken an einen Krieg in tiefster Seele abhold gewesen. Mit aller Macht hatte sie sich den Eroberungsgelüsten Louis' widersetzt. Noch waren die Wunden nicht vergessen, die die Jahre 1648-1654 der Nation geschlagen hatten, die Aufstände der Fronde während der Minderjährigkeit des Königs nicht, nicht das heftige Gefecht bei Paris im Jahr 1652, nicht die Seufzer des Volkes, die unter der Last von Abgaben und Verwaltungsmissbräuchen wach geworden waren.
Als aus der langen stürmischen Bewegung die königliche Gewalt endlich als Siegerin hervorgegangen war, wollte Anne d'Autriche den inneren wie den äußeren Frieden erhalten wissen. So hatte der König sich bisher mit den kargen Lorbeeren von Lothringen begnügen müssen. Nun aber, da er sein eigener Herr geworden war, brach die lang unterdrückte Flamme seines Temperamentes hell lodernd hervor. Flandern lockte nach dem Tode Philipps zu kriegerischer Tat; niemand sollte diese Flamme wieder ersticken dürfen!
Im Volk und im Parlament waren die ersten Anzeichen von des Königs Eroberungsgelüsten ruchbar geworden. Sie fanden wenig Widerhall. Noch hoffte man, der außerordentliche Einfluss Colberts würde sich dem enormen Etat widersetzen, den ein Krieg mit Flandern in Anspruch nehmen würde, und eine Zeit lang schien es, als ob diese Hoffnungen sich erfüllen sollten.
Louis aber gedachte seines Eides nach dem Tode der Mutter. Hier, wie in allen Dingen, wollte er sein eigener Herr und Meister sein. Es war nicht allein der Krieg als solcher, der ihn lockte, der seinem ungewöhnlichen persönlichen Mut Chancen gab, sich zu betätigen, sich der Gefahr des offenen
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