Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
zuerst gesehen hatten. Der weiße Hermelinkragen mit der goldenen Ordenskette kontrastierte wundervoll mit den warmen dunklen Farbentönen des Hauptes.
Träumerisch hing der Blick der jungen Herzogin an dem schön geschwungenen Mund, an dem weichen Kinn, an den dunklen Brauen, die ihre Finger so oft zärtlich nachgezogen hatten. Ohne dass sie es gewollt, flogen Louises Gedanken rückwärts.
Sie sah sich wieder als die kleine unscheinbare Provinzialin in dem großen Gasthofssaal von Tours, zum ersten Mal vor einem Bild des Königs, hingerissen von seiner majestätischen Schönheit, seinem sieggewohnten Blick.
Sie sah Rosalie, wie sie hinter sie trat und das nachlässig verlorene Päckchen mit dem schlichten Veilchen Bragelonnes aufhob, sie sah die Freundin, die ihr eine so treue Beraterin gewesen und von der das Leben sie so völlig losgerissen hatte!
Welch ein Wandel hatte sich an ihnen allen vollzogen!
Dachten sie ihrer noch, die Fernen? Hatte der arme Bragelonne, der oben in ihrem kleinen bescheidenen Stübchen im Palais Royal so heroisch resignierten Abschied von ihr genommen, um eine Weltreise anzutreten, noch eine freundliche Erinnerung an sie, oder wusste er von ihrem Fall und hatte seine reine Seele ihn gelehrt, sie zu verachten?
Beängstigend stiegen die Vorstellungen ihrer schlaflosen Nächte auch jetzt am helllichten Tage vor ihr auf. Sie sah die Königin, die sie mit Vorwürfen überhäufte und gleichzeitig ihr hohnlachend zu verstehen gab, dass Louise im Begriff war, des Königs Liebe zu verlieren. Sie hörte aus irgendeinem Winkel eine harte Stimme — einmal war es die des Königs, ein anderes mal die Olympias —, die ihr befahl, sich sofort von Paris und vom Hof zu entfernen, ihr Leben in Vaujours zu beschließen. Eine zweite Stimme, hohl und drohend, herrschte sie an, in ein Kloster zu gehen, aller Lust der Welt zu entsagen, zu fasten und zu beten bis ans Ende ihrer Tage!
Schauer liefen über sie hin. War sie krank? Von Sinnen? Wo war die eiserne Faust, die ihren Lebensmut, alles Glück, alle Freude so unbarmherzig zerbrach?
War es das Kind in ihrem Schoß, das sie ängstigte? Nie vordem hatte sie in der Hoffnung auch nur Ähnliches empfunden.
Sie durfte sich nicht länger nachgeben. Sie musste sich beherrschen, Herrin ihrer selbst werden, die dunklen Ahnungen verscheuchen. Sie war es dem Kind unter ihrem Herzen, sie war es dem König schuldig!
Louise stand auf und trat ganz nahe vor das Bild des Geliebten. Sie hob die gefalteten Hände zu ihm auf. „Um deinetwillen — um deinetwillen”, flüsterte sie unter Tränen.
Im Vorsaal schlug eine Tür. Sie trocknete die Augen. Es würde der König sein, der sich für heute nach den Audienzen bei ihr angesagt hatte. Sie bog den Kopf lauschend vor.
Nein, das war nicht sein rascher fester Schritt. Ein Lakai riss die Flügeltüren auf und meldete den Besuch eines Herrn, dessen Namen sie nicht gleich verstand. Hinter dem Galonnierten stand schon der Gemeldete — schlank, dunkeläugig, einen leichten Bronzeton auf dem schmalen blassen Gesicht — Bragelonne!
Ein paar Augenblicke lang herrschte tiefe Stille zwischen diesen beiden lang Getrennten. Bragelonne hatte die Hand aufs Herz gepresst und sah mit Blicken zu Louise hin, in denen der ganze Jammer einer zerrissenen Seele lag.
Louise senkte die Augen vor diesem Blick. Da wusste er, es war, wie man ihm im Palais Royal gesagt hatte, wo er die Jugendgeliebte nach seiner Rückkehr aus Indien hatte aufsuchen wollen!
Sie stand mit schamgesenktem Haupt, noch immer das süße Geschöpf, das er seit seinen und ihren Kindertagen geliebt, das keine andere Liebe aus seinem Herzen hatte verdrängen können. Er trat zu ihr und streckte ihr die feine bräunliche Hand entgegen, die sie nur zögernd nahm.
„Ich kam, um Louise von La Vallière nach langer Trennung wiederzusehen — ich gehe, um mich von der Frau Herzogin auf ewig zu verabschieden.”
Sie fuhr zusammen wie von einem Natternstich getroffen. Ihre blauen Augen, noch ganz wie einst der Spiegel ihrer reinen Seele, sahen bittend zu ihm auf.
„Nicht so, Bragelonne — nicht so — für Sie bin ich Louise von La Vallière. Ach, wär' ich's für immer geblieben!”
Sie schluchzte laut auf. Sie schien zu wanken, und obwohl er selbst nicht mehr Herr seines Körpers war, stützte er sie und führte sie zu dem Stuhl am Kamin, auf dem sie zuvor gesessen hatte. Er zog ein Taburett an ihre Seite und setzte sich neben sie, bis sie ruhiger geworden
Weitere Kostenlose Bücher