Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
nicht lange mehr sein!
Dann schüttelte Bragelonne das dunkle Haupt. Nein, er wollte nicht verenden wie elendes Gewürm im erstbesten Winkel des Waldes. Er wollte sterben wie ein Mann. Gott würde seiner armen Seele gnädig sein, wusste der Himmlische doch, er ging, um sich der Geliebten aus dem Wege zu räumen.
Und mit rascher, sicherer Hand stieß er den Dolch in sein armes, krankes Herz. Lautlos sank er hintenüber in das grüne Moos des stillen Waldes. Ein Unterlegener dieses unbarmherzigen Lebens, der einsam am Wege verblutete!
Der 24. Mai war für den Abmarsch des Königs mit der Armee festgesetzt worden.
Während der letzten Tage hatte Louis' Stimmung sich vollständig geändert. Nichts mehr von Todesahnungen, nichts mehr von Abschiedsweh. Nur Siegesgedanken standen auf seiner Stirn.
An einem strahlenden Morgen holte er Louise in seinem Wagen ab, um einen letzten Tag in Versailles mit ihr zu verbringen. Unterwegs erzählte er ihr, dass er noch eine Menge Menschen hinausbestellt habe. Lully und Quinault, die zusammen an einer Oper arbeiteten; Mignard, der ein neues Porträt Louises malen sollte, damit er es bei seiner Rückkehr fände; van der Meulen, der ihn als malender Historiograph nach Flandern begleitete.
Der König wusste, dass er Louise mit diesem Apparat enttäuschte, da sie darauf gerechnet hatte, diesen letzten Tag mit ihm allein zu verleben. Wozu aber sich den Abschied unnütz schwer machen! Er tat, als sähe er nicht den leichten Schleier über ihren Augen, nicht die fahle Blässe ihres traurigen Gesichtes. Er dachte nicht daran, dass sie den jähen, schrecklichen Tod des Jugendfreundes kaum verwunden haben könne und nach Einsamkeit verlange. Lächelnd sagte er: „Du wunderst dich, Louise, dass mein Sinn heute nach der Gesellschaft meiner Künstler steht! Ich möchte mir selbst getreu bleiben. Du kennst meine Anschauung: wenn ein Hof ohne Frauen ein Frühling ohne Rosen ist, ist ein Hof ohne Künstler ein Sommer ohne Sonne.”
Er küsste ihr galant die schöne Hand.
„Ich will sie beide um mich haben bis zuletzt — die Rosen und die Sonne!”
Als der Tag in den Abend sank, kehrten sie zurück, von einem Schwarm von Menschen umgeben. Vergebens wartete Louise auf ein paar Augenblicke allein mit dem König. Sie suchte in dieser Nacht ihr Lager nicht auf. Mit brennenden Augen und klopfendem Herzen saß sie inmitten aller Pracht ihrer Gemächer und wartete auf eine Botschaft des Geliebten, die nicht kam.
Immer schwerer, immer düsterer wurden ihre Gedanken. Sie durchforschten den Tag, der hinter ihnen lag. Hätte es wirklich keine Gelegenheit gegeben, eine Stunde, eine halbe Stunde miteinander allein zu sein?
Nach dem Frühstück, als der König ohne jede Begleitung in den Irrgarten ging, um Le Nôtre zu sprechen — so nahe dem alten Rosenpavillon, der so viel süße heiße Geheimnisse zwischen ihnen barg, weshalb hatte er sie da nicht an seine Seite gerufen?
War es Einbildung — kam ihr erst nachträglich diese Fantasie? Ihr war, als hätten die Damen gelächelt und sie mit einem mitleidigen Blick gestreift, als der König so plötzlich und allein davongestürmt war. War es am Ende nicht Le Nôtre gewesen, der ihn im Irrgarten erwartet? Hatten die Damen wirklich gelächelt und sie mitleidig angesehen? War ein Name genannt worden, den sie überhört hatte? Der Schmerz schnürte ihr die Kehle zu. Sie stöhnte laut und rang nach Luft.
Wie sehr hatte sie gehofft, der König möge, bevor er nach Flandern ging, noch ein Wort der Fürsorge für den Knaben, den ihr Schoß ihm schenken sollte, haben! Louis hatte ihr wiederholt gesagt, dass er einen Knaben erwarte, schön und stark wie seine Schwester. Die Schwester hatte er anerkannt, legitimiert, zu hohem Rang erhoben, sollte der Bruder ein unbekannter Bastard bleiben? Aber war es denn ausgemacht, dass der König fiel, dass der Krieg ein unglückliches Ende nahm?
Konnte er nicht heil und siegreich wiederkehren, liebend und geliebt wie einst, und konnte er dann nicht seinem Sohn geben, was er der Tochter gegeben hatte?
Der Tag graute. Todmüde und zermartert von Denken und Sorgen schleppte Louise sich zu ihrem prunkvollen Lager. Aber ihre Gedanken wollten nicht zur Ruhe kommen. Und zwischen ihnen schwebte das bleiche Antlitz, das brechende Auge, die blutüberströmte Brust des Jugendfreundes, der um ihretwillen in den Tod gegangen war!
Als der König am zweitnächsten Tage kam, um Abschied von ihr zu nehmen, fand er sie krank im Bett
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