Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
liegen. Er schüttelte den Kopf, als er in ihr gramentstelltes, bleiches Gesicht sah.
„Mon Dieu, Louise, wie kann man sich so grämen! Wahrhaftig, du siehst aus, als wolltest du schon heute meinem Leichenzug folgen! Du wirst mir einen kleinen Jammerprinzen statt eines Mannes auf die Welt bringen!”
Er hatte sich auf den Rand des Bettes gesetzt und spielte mit ihren langen aufgelösten Locken, die wie eine goldene Flut auf den Spitzenkissen lagen. Sie lehnte sich in seinen Arm und lächelte ihm zärtlich aus ihren großen blauen Augen zu, ihren Schmerz tapfer bezwingend.
Da beugte er sich zu ihr nieder und küsste sie heiß. Es war der alte Zauber wieder, der ihn durch Jahre hindurch gebannt und festgehalten hatte, der Zauber ihrer selbstlosen Liebe, ihrer durch nichts zu zerstörenden, süßen Mädchenhaftigkeit.
Aus dem Felde kamen nur Siegesbotschaften. Schon während der ersten vierzehn Tage hatte der König sich eine Anzahl von Städten untertan gemacht, unter ihnen Charleroi. Dann plötzlich verstummten die Nachrichten aus dem Feldlager.
Es gingen mancherlei unkontrollierbare Gerüchte um. Die Opposition warf Turenne vor, aus irgendeinem persönlichen Ehrgeiz heraus das weitere glückliche Vordringen der Armeen aufgehalten zu haben. Von dem König behauptete man, dass er den Siegeszug unterbrochen habe, um seiner Maitresse irgendwo zu begegnen. Niemand wusste Genaues zu sagen.
Louise, die während einiger Tage mit ihrer Tochter in Versailles gewesen, war in ihr Palais nahe den Tuilerien zurückgekehrt, um die Neuigkeiten aus dem Felde aus erster Hand zu bekommen. Voll schwerer Sorge wartete sie nun schon zwei Tage auf den Kurier, der ihr die direkten Nachrichten vom König zu bringen pflegte. Als auch am dritten jede Nachricht für sie ebenso wie für Madame ausblieb fasste Louise den Entschluss, die Königin im Louvre aufzusuchen.
Auf den Wunsch des Königs waren die beiden Frauen, deren Herz ihm gehörte, während der letzten Wochen öfters zusammengekommen. Die Königin hatte sich weicher, nachgiebiger gezeigt. Etwas von der alten Sympathie, die sie einst für Fräulein von La Vallière gehegt, hatte ihr Herz aufs Neue gerührt. Die schlichte Bescheidenheit dieser Frau, auch als Herzogin, hatte ihren Eindruck auf den edlen und gerechten Charakter Marie Thrérèses nicht verfehlt.
Der Rang, den Louise heute bekleidete, machte es ihr nicht schwer, bis zu den Gemächern der Königin vorzudringen. Sie waren leer. Vorsichtig und ein wenig zaghaft spähte sie durch die offene Tür in die kleine Kapelle, die dicht neben dem Schlafgemach der Königin lag. Sie sah die Königin allein im Betstuhl in inbrünstigem Gebet versunken. Louises Herz schlug laut. Sie faltete die Hände und betete mit der ganz in fromme Schauer Versunkenen für das Wohl des Königs.
Ein tiefer Seufzer machte Marie Thérèse aus ihrem Betstuhl aufsehen. Als sie die Herzogin in Tränen aufgelöst gewahrte, sprang sie auf und fragte in Todesangst, ob sie eine schlimme Nachricht erhalten habe. Louise schüttelte das Haupt.
„Nein, Euer Majestät — nur die Sorge trieb mich her. Da der Kurier ausblieb, habe ich es gewagt zu kommen — ”
Die Königin reichte ihr die Hand.
„Meine liebe Herzogin, in der traurigen Lage, in der ich mich seit der Abreise Seiner Majestät nach Flandern befinde, sehe ich nur die Personen gern um mich, die ein aufrichtiges Interesse an den Gefahren nehmen, denen sich der König aussetzt.”
Sie sprach es mit so viel Charme und aufrichtiger Innigkeit, dass Louise in diesem Augenblick imstande gewesen wäre, Marie Thérèse ihre Liebe zum Opfer zu bringen. Sie beugte sich auf die Hand der Königin und küsste sie. Überwältigt von dem Schmerz, der beide Frauen in dieser Stunde vereinte, zog die Königin Louise an ihr Herz. Ihre Tränen flossen zusammen.
Im gleichen Augenblick wurden in den Gemächern der Königin Stimmen laut. Marie Thérèse schrak zusammen. Etwas wie Scham ging über sie hin. Was hier in der Stille ihres Betgemaches geschehen, war ihres eigenen Herzens Sache. Kein fremdes Auge aber durfte sie Hand in Hand mit der Herzogin von La Vallière erblicken!
Rasch wandte sie sich ihren Gemächern zu, ohne die Tür hinter sich zu schließen. Louise blieb allein. Sie begriff es wohl, weshalb die Königin sie verlassen hatte, und wagte es nicht ihr zu folgen. Ein paar Augenblicke verharrte sie in tiefem Nachdenken. Ihr Blick hing an dem Kruzifix, vor dem die Königin in inbrünstigem Gebet
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