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Die Geliebte des Trompeters

Titel: Die Geliebte des Trompeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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wollte Chet loswerden. Der spürte das – und wurde ärgerlich. Als sie in zum Kaiser-Wilhelm-Platz kamen, legte er den Arm um ihre Schulter, gebieterisch, besitzergreifend. Ricky schüttelte ihn ab. Sie ging schneller. Natürlich hielt er mit ihr Schritt. In Ricky kämpfte es. Was sollte sie ihm sagen? Er war offensichtlich darauf aus, sie bis nach Hause zu begleiten, und genauso offensichtlich war er entschlossen, ihren Widerstand zu ignorieren.
    Chettie!
    |169| Sie blieb stehen. Sie verlegte sich aufs Bitten. Sie sprach ganz langsam, ganz deutlich. Sie versuchte, ihm klarzumachen, dass es unmöglich sei. So leid es ihr tue. Sie merkte, dass ihre Worte hohl klangen. Wie auswendig gelernt. Vielleicht, weil sie so langsam sprach. Chet bemühte sich nicht, sie zu verstehen. Er zündete sich eine Lucky Strike an, offenbar gelangweilt.
    Chet!
    Sie musste energischer werden. Er musste sie ernst nehmen. Er zuckte mit den Schultern und nahm seinen Schritt wieder auf. Er wusste ja, wo sie wohnte. Jetzt war sie es, die hinter ihm herlief. Wie lächerlich das alles war!
    Chettie!
    Irgendwann wurde es ihm zu bunt. Er fuhr herum, und jetzt war er es, der laut wurde:
Listen, honey   …
    Auch die amerikanischen Männer benutzten Kosenamen, vor allem, wenn sie ihre Stärke demonstrieren wollten. Ricky kannte das:
Darling, honey, o my baby   …
Sie ließ sich nicht kaufen, sie ließ sich nicht bestechen, sie wollte auf keinen Fall, dass ihr diese Situation hier entglitte und dass Chet   … Jetzt brüllte er. Er brüllte sie regelrecht an. Ricky sah, wie sich sein Hals puterrot färbte und der Adamsapfel darin hüpfte. Lächerlich! Sie wollte an ihm vorbei, aber Chet hielt sie fest – und dann sah sie aus den Augenwinkeln, dass die Bäckersfrau aus Nummer 17 langsam näherkam, und sie begriff, dass sie überhaupt einen hübschen Anblick bieten mussten, sie und ihr amerikanischer Freund am hellichten Nachmittag in Schöneberg   … Sie zog Chet mit sich fort, am Hofeingang zum Haus der Eltern vorbei, weiter, weiter, nur fort von den Gaffern und Glotzern! Und Chet, unwillig, wütend, ließ sich ziehen und schimpfte weiter, und was er sagte, konnte sie sich denken. Und dann sah sie das Loch in der Kirche, das große Loch, das Loch, das der betrunkene russische Panzerfahrer zu |170| verantworten hatte, und zog Chet hinein, und dann ging alles sehr schnell. Sie waren allein. Chet war einen Moment still, aber er atmete immer noch schwer. Er war sehr erregt – erregt, weil sie ihn zurückwies, erregt, weil er für Mummy und Daddy offenbar nicht gut genug war, aber auch erregt, weil das nicht in ihren Kopf ging, und diese Hilflosigkeit machte ihn noch zorniger, und der Zorn machte, dass Chet zitterte und dass er Ricky packte, bis die gar nicht mehr wusste, ob sie lachen oder sich fürchten sollte.
    Chettie!
    Und dann entdeckte er, die paar Stufen neben der alten Sakristei hinab, eine Eisentonne. Kein Mensch wusste, wie eine eiserne Tonne hier hereingeraten war. Die Tonne war innen schwarz verfärbt: Die Tonne war als Ofen benutzt worden, Holzreste lagen darin, Asche. Chet zwang Ricky, sich umzudrehen, und hieß sie ihre Arme auf den Tonnenrand stützen, und dann, während sie noch lachte und ein bisschen protestierte, hob er ihr den Rock hoch, und sie trieben es gleich da. Schamlos, gottlos, direkt und von hinten nahm er sie, mitten in der Kirche. Und Ricky, typisch Ricky, ließ es nicht nur geschehen, sondern machte bald mit und legte ein Bein rückwärts um seine Hüften, und fast wäre die Tonne umgekippt. Da hinein warf er hinterher das unvermeidliche Kondom. Darüber mussten sie lachen, sie lachten sich die Befangenheit aus dem Leib, die sie plötzlich befallen hatte, und Chet stimmte leise ein kleines Lied an, er summte nur, wie es seine Art war, aber allmählich kam Ricky doch dahinter: Er sang
Stille Nacht
– auf Englisch. Da boxte ihn Ricky, sie hatte einen ganz schönen Punch, er machte einen Sprung zur Seite, sang aber weiter, sang immer lauter, sang immer noch, selbst, als sie sagte: Ich gehe jetzt! Und sang sein unheiliges, heiliges Lied, bis sie tatsächlich ging, unschlüssig erst, dann immer entschiedener, bis sie schließlich rannte. Sie ließ ihn zurück, |171| allein, in der dämmrigen Kirche, und noch vor ihrer Haustür glaubte sie, sein Lied zu hören:
… sleep in heavenly peace!
    Ihr Rock und ihre Bluse waren voller schwarzer Striche. Kohlestriche, Aschereste.
    Wo kommst du her?, fragte Irmgard drohend, als

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