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Die Geliebte des Trompeters

Titel: Die Geliebte des Trompeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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sie die Bescherung sah.
    Aus der Kirche, antwortete Ricky wahrheitsgemäß.
     
    Am nächsten Abend lehnte Chet zum ersten Mal nicht ab, als Willie und Fernando ihn fragten, ob er mitkäme. Sie hätten da, so bedeuteten sie ihm, etwas ganz Besonderes. Sie machten anzügliche Gesten. Bestimmt werde er es nicht bereuen, aber er müsse schweigen, schweigen wie ein Grab. Chet zuckte die Achseln. Jede Ablenkung war ihm recht. Er war immer noch ein wenig ungehalten über Ricky, und er wusste selbst nicht den Grund dafür. Sie wollte ihn nicht zu Hause haben, das war das eine. Sie versuchte, ihn auszufragen, das war das andere. Sie machte ihn verrückt. Sie hielt sich nicht an die Regeln. Mit der Nummer in der Kirche hatte er ihr zeigen wollen, wo es langging, aber am Ende hatte sie den Spieß umgedreht. Ricky änderte sich nicht. Die Mädchen änderten sich nicht. Sie waren alle gleich. Sie setzten Grenzen, die kein Mensch akzeptieren konnte. Und gleichzeitig stellten sie Forderungen. Das kam, wenn die Mädchen unzufrieden wurden: Sie wollten dann alles wissen. Sie fragten ihm Löcher in den Bauch. Warum er so sei und nicht anders. Warum er dieses tue und nicht jenes. Sie konnten es nicht ertragen, ihn einfach zu lassen. Mum hatte damit angefangen. Eigentlich war Mum die Schlimmste von allen gewesen, und das war vielleicht ein Hauptgrund dafür gewesen, sie zu verlassen. Trotz allem. Obwohl er sie damit diesem debilen Wüterich überließ. Aber auch Mum hatte ihn nicht in Ruhe gelassen. Hatte gefragt und gefragt, weil sie die Kontrolle über ihn verlor. |172| Aber wenn er die Wahrheit gesagt hätte: Ja, Mum, ich bin mit sechzig Meilen über die
Beach Lane
gebraust, und ja, Mum, getrunken hatte ich auch   … – Was hätte das geändert? Wäre sie etwa beruhigt gewesen? Ein Mann musste seinen Weg gehen, das hatte sogar, auf seine verquere Art, der Vater begriffen. Die Frauen taten unschuldig und mitfühlend, sie stellten Fragen – aber sie wollten die Kontrolle. Die Kontrolle, die sie zum letzten Mal hatten, als sie die Babies aus ihrem Bauch herauspressten. Chet hatte das einmal gesehen. Bei einer schwarzen Nachbarin, der Mum hatte helfen müssen. Es war kein schöner Anblick gewesen, aber seine Mum schien genau zu wissen, was sie zu tun hatte. Das ängstigte ihn beinahe noch mehr. So eine blutige Angelegenheit – und damit kannte sich seine Mutter aus! Sie hatten Geheimnisse, die Frauen, sie wussten etwas, das sie den Männern vorenthielten, und deswegen war es das Beste, wenn man sie das ihre tun ließ und sich ansonsten bedeckt hielt.
    Chet war durchaus klar, dass ihm das bei Ricky nicht richtig gelungen war. Verdammt nah war sie ihm gekommen, zu nah womöglich. Es war besser, ein wenig auf Abstand zu halten. Gleichzeitig beunruhigte ihn, dass sie einfach weggegangen war. Sie hatte nicht versucht, ihn versöhnlich zu stimmen. Beim Sex in der Kirche hatte sie mitgemacht – weil es ihr Spaß machte. Weil sie es aufregend fand. Chet dachte an ihr halblautes Stöhnen, an ihr heiseres Lachen, an den Schweiß, der ihr über die Oberschenkel rann. Sie war so – ungeniert. Und anschließend hatte sie nicht geweint und geschmollt, wie das Shirley oder die anderen Mädchen in Kalifornien getan hätten. Shirley! Er hatte seit Wochen nicht mehr an sie gedacht! Er dachte überhaupt nicht mehr an andere Mädchen, nur noch an diese kleine Deutsche mit den harten Fersen, die ihm, wenn sie Liebe machten, die Sporen gab wie einem widerspenstigen Appaloosa.
    |173| Fernando, Willie, der lange Bowman und Steve Rich hatten einen Jeep organisiert, und darin brausten sie jetzt durch Berlin. Es war eigentlich nicht erlaubt, dass sie die Fahrzeuge für private Zwecke nutzten, andererseits sollten sie immerfort
Präsenz zeigen
, Präsenz vor den Russen, er konnte es schon nicht mehr hören, aber wenn der wortgewandte Steve ihren Captain daran erinnerte, kam er mit beinahe allem durch. Es war inzwischen eine fixe Idee, diese Sache mit der Präsenz, denn natürlich waren abends, nach Einbruch der Dunkelheit, keine russischen Einheiten mehr unterwegs, und schon gar nicht in den westalliierten Zonen, aber Vernunft war die eine Seite, Paranoia die andere.
    Jedenfalls dachte Chet, dass das Paranoia wäre. Sie hatten einmal zwei betrunkene Russen erwischt, zwei Soldaten, die bei einer Tour durch Berlin offenbar ihre Wodkaflasche als Kompass benutzt hatten und nicht wenig erschrocken waren, als sie ausgerechnet bei Onkel Toms Hütte aus der U-Bahn

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