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Die Geliebte des Trompeters

Titel: Die Geliebte des Trompeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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einem für sie erdachten, abenteuerlichen Spielplatz tobten, die die GIs als ihre persönlichen Spielkameraden betrachteten und über Gewehre und Munition fachsimpelten wie die Alten.
    Steve kramte in seinen Taschen. Tatsächlich: Er förderte ein paar Schokoriegel und Kaugummi hervor. Die Kinder johlten vor Begeisterung, aber Steve war klug. Er warf die Süßigkeiten nicht einfach in die Menge, was sofort eine Rauferei zur Folge gehabt hätte, er zählte vielmehr vor den Augen der Kinder genau ab, was er da in seinen großen Händen hielt, und dann bestimmte er zwei der kleinsten Kinder, die Beute zu verteilen. Im Weggehen hörte Ricky sie noch zählen:… sieben, acht, das ist für dich   … Und plötzlich fragte sich Ricky, ob Steve wohl Erfahrung mit Kindern hatte. Es war möglich, Steve war deutlich älter als sie. Vor Haus Nummer 13 blieb sie stehen.
    Thank you, Sir!
Sagte sie unbeholfen und streckte Steve zum Abschied die Hand hin. Der Offizier lachte. Er war es nicht gewöhnt, dass man ihn wegschickte.
     
    Chet, der im Felsenkeller der merkwürdigen Melange der Musik zuhörte, war von dem Geschrei der Kinder aufgeschreckt worden. Aber als er aus dem Fenster schaute, sah er nur die übliche hungrige Horde und mittendrin den unvermeidlichen schwarzen Soldaten, der seelig und ein bisschen dümmlich grinste, als sei er der Weihnachtsmann. Chet beschloss, das Lokal zu wechseln. Seit einer halben Stunde |198| spielten sie hier die Musik eines Geigers, den die Deutschen neuerdings liebten. Der Mann war nicht schlecht, er improvisierte offensichtlich und hatte alles, was gut war, im Repertoire. Konnte swingen und coolen Jazz produzieren, konnte etwas spielen, das nach orientalischer Weise klang, und beherrschte sein Instrument mit einer Fixigkeit, die schwindelig machte.
    Aber Virtuosität allein machte Chet müde. Sie führte zu nichts, außer zu einer großen Leere im Kopf. Was er stattdessen suchte, wusste er nicht. Er zahlte und entdeckte ein Café, das ihm nie zuvor aufgefallen war. Hier würde es sich aushalten lassen für ein paar Stunden. Hier würde es still sein.
     
    Wo kommst du her?!?
    Die überflüssigste und gefährlichste Frage, die Väter stellen können. Ricky war sofort auf der Hut. Es ist hellichter Nachmittag!, sagte sie trotzig und wollte am Vater vorbei.
    Das seh ich, Herrgott, das sehe ich auch! Jetzt fing der Vater an zu brüllen. Ich habe gefragt, wo du herkommst, und ich will eine anständige Antwort darauf!
    Das Gebrüll war für alle in der Wohnung das Signal, näherzukommen. Angezogen und abgestoßen zugleich. Sie schoben sich in die Türen. Ricky hatte keine Lust, ihnen das übliche Spektakel zu bieten. Und außerdem war ihr immer noch schlecht. Vater hielt sie fest: Du hast getrunken!, behauptete er siegessicher, wandte sich zur Mutter um, die eben in den Flur trat, wiederholte seine Anklage, fast triumphierend: Sie hat getrunken!
    Ja, Schokolade!, rief Ricky nun. Scho-ko-la-de, das ist alles. Zufrieden?!
    Es reichte ihr, sie war schließlich kein kleines Kind mehr. Die Mutter wollte einschreiten, aber Vater war so in Rage, dass es ihr nicht gelang.
    |199| Schokolade, aha! Also Schokolade hat das feine Frollein getrunken, ja?! Mit ihrem feinen Schokoladenmann vielleicht, ja? Und hat er dir sonst auch noch was zu kosten gegeben?!
    Und dann ging es los. Der Vater hatte sie aus dem Fenster beobachtet. Sie und Steve. Sie und den Neger. Wie sie über den Platz der Kirche gekommen und zusammen geraucht hatten. Wie sie bei den Kindern stehen geblieben waren. Der Vater war außer sich. Seine Tochter – ein Amiflittchen. Und, schlimmer noch: ein Negerflittchen! Wollte sie sich etwa mit so einem einlassen? Fiel ihr denn nichts Besseres ein? Hatte er dafür im Osten gekämpft und die Heimat verteidigt und   …
    Die Mutter sagte etwas, in scharfem Ton, was aber unterging. Renate warf sich dazwischen, protestierte – und wurde geohrfeigt. Sie, sie hatte es gerade nötig! Trieb sich mit einem Krüppel herum, mit einem, der mit Farben herumschmierte und sich für etwas Besseres hielt. Kriegst gleich noch eine Schelle ab! Eine schöne Familie war das   …
    Der Krüppel kam aus der Küche, kreidebleich. Werner hatte nur eine Aktentasche unter die Achsel geklemmt, aber es war klar, dass er gehen würde. Gehen für immer. Mühsam humpelte er mit seinen Krücken den Flur entlang. Renate schrie auf: Werner! Und raste in ihr Zimmer und rief die ganze Zeit, er möge warten. Jetzt lief die Mutter

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