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Die Geliebte des Trompeters

Titel: Die Geliebte des Trompeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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hinter Renate her, warf die Tür hinter sich zu, und man hörte die beiden erregt miteinander sprechen, während der Vater weiter wütete und Ricky nicht durchließ, nie würde er sie gehen lassen, immer würde er sie halten und beschimpfen und   …
    Da riss Ricky sich los, drehte sich um, rannte hinaus und die wackelige Stiege hinunter, fort, nur fort. Vor dem Haus lehnte Steve an der Mauer, rauchte, wie es schien, ganz vergnügt eine Zigarette und sagte nur:
Hello, darling – come on!
    Da ging Ricky mit ihm fort.
     
    |200| Chet hatte im Café Paulus gesessen, halb ausgestreckt auf einem zu kleinen Holzstuhl, und hatte den bunt bemalten Stuck an der Decke bewundert. Irgendwann hatten sie auch hier Musik eingeschaltet, aus dem Radio tönte das vertraute
Munich At Five
, und Chet ließ sich einlullen von der zigarrenschweren Stimme von Mark White, der eine deutsche Sängerin interviewte. Die Sängerin war gerade in New York gewesen, zum ersten Mal in ihrem Leben, und bestand darauf, dass jeder unbedingt dort hinreisen müsse, New York sei die Welt, sagte sie in ihrem lustigen Englisch, das klang, als müsse jemand gleichzeitig sprechen und sich verrenken, sie sagte, sie begreife gar nicht mehr, wie sie habe Musik machen können, ohne New York zu kennen. Und sie lachte und wiederholte das mit einer solchen ungeschickten Bestimmtheit, dass Chet in Versuchung war, ihr zuzustimmen, bis er merkte, dass er selbst noch nie in New York gewesen war, die Clubs nicht kannte, von denen sie redete, und auch den Bassisten und den Drummer nicht, mit dem sie aufgetreten war. Ihre Musik entpuppte sich dann wieder als eine komische Mischung aus Jazz und deutschem Schlager, aber ihre Stimme gefiel ihm; wenn sie sang noch mehr, als wenn sie redete, und er beschloss, sich ihren Namen zu merken: Caterina Valente. Irgendwie italienisch. Und dann schaute er aus dem Fenster und sah Ricky und den schwarzen Offizier. Sie gingen gemeinsam fort. Sie betrog ihn also doch. Sie hatte einen anderen.
     
    War es wirklich ein Missverständnis, dass sie zusammenkamen? Deutsche
Fraulein
und amerikanische Soldaten? Und vielleicht war es noch einfacher: Die einen suchten Gesellschaft, die anderen wollten überleben. Aber wenn schon das Zusammenkommen ein Missverständnis war, wie viel mehr war es das Auseinandergehen! Bei Chet und Ricky jedenfalls. Sie liefen auseinander, als sie versuchten, einander näherzukommen, |201| und je mehr sie es versuchten, umso größer wurde die Distanz zwischen ihnen. Ricky spürte es. Sie war ja die Ältere, und sie wusste durchaus, dass es heikel war, was sie da tat. Sie ging auf die Freundlichkeit dieses Captain Steve Brooks ein, weil der ihr Zugang zum Flughafen Tempelhof verschaffte.
    Und auf dem Flughafen arbeitete Chet. Jedenfalls meistens. Aber war es wirklich so simpel, so klar? Sie hatte Chet noch kein einziges Mal dort gesehen. Und: Suchte sie wirklich nur Chet, wenn sie sich mit Steve und ihren neuen Freunden dort aufhielt? Steve und Chet hatten nicht viel gemeinsam. Steve war achtundzwanzig, er gehörte zu denen, die beim Endkampf um Berlin dabei gewesen waren, und er hatte allen Angeboten, ihn nach Hause zurückzuschicken, widerstanden, weil er eine Sache zu Ende bringen wollte, bevor er eine neue anfing. Er hatte Berlin in Trümmern liegen sehen, jetzt wollte er bei seiner Wiederauferstehung dabei sein. So ungefähr drückte er sich aus, ein bisschen blumig, ein bisschen umständlich, in einer höchst privaten Mischung aus Englisch und Deutsch, denn Steve gehörte zu jener Minderheit von Offizieren, die die unmögliche fremde Sprache zu lernen versuchten. Ricky sollte ihm dabei helfen. Dafür zeigte er ihr den Flughafen, diesen geheimnisvollen Planeten, der eine abgeschlossene Welt für sich war – und wo es vielleicht auch eine besser bezahlte Arbeit für Ricky geben würde, eine Arbeit mit Zukunft, wer weiß?
    Und Ricky, magisch angezogen von dieser Welt der Ordnung und der Lässigkeit, ging an Steves Hand wie ein kleines Kind, das man an den weihnachtlichen Gabentisch führt. In Tempelhof konnte man obendrein vergessen, dass dieser Gabentisch nicht in den USA stand, sondern im halb zerstörten Berlin. Steve machte sie mit ein paar Piloten der
Air Force
bekannt, und noch nie, so kam es Ricky vor, hatte sie derart |202| schmucke Typen gesehen. In den Clubs, in denen Ricky und Renate unterwegs gewesen waren, hatte man sie kaum je zu Gesicht bekommen. Jetzt standen sie mit Steve herum, redeten ihr

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