Die Geliebte des Zeitreisenden
Cael.
Die Tatsache, dass Cael aus ihrer Sorge um ihren Neffen nie einen Hehl gemacht hatte, konnte ihren Feinden dabei helfen, ihre nächsten Schritte vorauszusehen und ihren Aufenthaltsort zu ermitteln. Lucan hoffte, dass Brennon und Quentin - falls sie den Einsturz überlebt hatten - noch immer mit der Frage beschäftigt waren, was mit Avalon geschehen sein mochte und sich keine Gedanken darum machten, ein Krankenhaus zu erstürmen.
Cael führte sie eine zweite Treppe hinunter. »Wir müssen öffentliche Flure benutzen. Ich hoffe bloß, dass Jaylon noch lebt und der Gral ihm helfen wird. Aber ...«
»... wir wissen nicht, wie wir den Gral benutzen sollen«, beendete Lucan den Satz für sie.
»Vielleicht muss Jaylon nur aus ihm trinken«, sagte sie. »Oder der Gral gibt, sobald Jaylon den Pokal in den Händen hält, seinem Körper alles, was er zur Heilung braucht.«
»Wir müssen es ausprobieren.« Lucan wünschte sich, die irdischen Legenden hätten erklärt, auf welche Weise der Gral seine Heilkräfte entfaltete.
»Auf meiner Welt besagen die Legenden nur, dass die Soldaten, die den Gral besitzen, nicht in der Schlacht sterben werden«, sagte Rion.
Cael runzelte die Stirn. »Das deutet an, dass der Gral sogar aus der Ferne heilen kann. Aber wir mussten ihn berühren, um die Karte erkennen zu können.«
»Ich will, dass Jaylon ihn sieht«, fügte Lucan hinzu. »Dann kann er Hoffnung schöpfen.«
»Er braucht unendlich mehr als nur Hoffnung«, sagte sie. Anspannung und Sorge strahlten von ihr ab. »Der Gral ist erstaunlich leicht, aber als wir Jaylon das letzte Mal gesehen haben, war er so schwach, dass ...«
Eine Tür wurde aufgestoßen. Einige Patienten traten zusammen mit ihrem Besuch in den Korridor. Sie erzeigten der Hohepriesterin ihren Respekt und machten Platz für Cael; ihr fröhliches Geplapper erstarb auf ihren Lippen. Sie senkten den Blick und neigten den Kopf - ob aus Ehrerbietung oder Angst, vermochte Lucan nicht zu entscheiden.
War ihnen die Nachricht von ihrer Ankunft vorausgeeilt? Oder waren die Patienten in diesem Krankenhaus so an Caels Anwesenheit gewöhnt, dass ihr Anblick keinerlei Überraschung mehr hervorrief?
Die meisten Patienten und Besucher gingen den Korridor entlang, aber eine Frau mit einem Neugeborenen im Arm näherte sich Cael mit einem schüchternen Lächeln und ein wenig Angst. »Herrin, würdet Ihr mein Kind segnen?«
Caels Wunsch, endlich zu Jaylon zu gelangen, war für eine Sekunde auf ihrem Gesicht abzulesen, doch dann lächelte sie und streckte die Arme aus. »Das ist mir die liebste Pflicht der Hohepriesterin.« Sie berührte das Kind nicht, denn es war ganz in Laken gehüllt. Mit einer sanften und geschickten Bewegung, die von langer Übung sprach, nahm sie es von der Mutter entgegen.
Lucan sah verwundert zu. Seit seiner Jugend hatte er kein so kleines Kind mehr gesehen. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass jemals eine Frau auf der Erde ein Baby in den Armen gehalten hatte. Der Anblick von Cael und dem Kind raubte ihm den Atem. Das Baby war so winzig, so zerbrechlich, zugleich aber so vollkommen. Es hatte einen großen Kopf, der kaum zu dem schmächtigen Körper passen wollte, und dennoch schien es ganz gesund zu sein. Erstaunlich. Das Kind sah Cael mit großen Augen neugierig an, und in Lucans Kehle bildete sich ein Klumpen.
Cael sah so ... wunderschön aus. Sie wirkte nicht nur zufrieden, sondern auch glücklich. Nun begriff er, dass sie sich nach einem Kind sehnte, auch wenn sie nie darüber gesprochen hatte. Doch keine Hohepriesterin auf Pendra- gon durfte einen Partner haben - und daher auch keine Kinder. Als Cael das Baby gegen ihre Brust drückte, konnte sie die Sehnsucht in ihren Augen aber nicht verbergen.
Er wünschte, dieses Kind wäre ihr eigenes - seines und das von Cael. Er wünschte, er könnte mit dieser Frau viele Kinder haben. Lucan beobachtete, wie sie das Kind anlächelte, und ihm gingen die Herzen auf. Er hatte sich geschworen, dass er diese Welt und Cael hinter sich lassen werde. Dass er Cael nicht lieben durfte.
Aber trotz seiner Bemühungen hatte er sich unsterblich in sie verliebt.
Cael segnete das Kind und küsste dann die Luft über seiner Stirn. Sie zog das Laken enger um die Schultern des Babys und gab es seiner Mutter zurück, wobei sie sorgsam darauf achtete, seine Haut nicht zu berühren. »Sie ist wunderschön.«
»Vielen Dank, Herrin.« Die Augen der jungen Mutter glänzten. Das war sicherlich ein Erlebnis, von dem
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