Die Geliebte des Zeitreisenden
sah die Eule zärtlich an. »Vor Tausenden von Jahren hat sie eine meiner Vorgängerinnen Merlin genannt.«
»Willst du damit sagen, dass Merlin schon Tausende Jahre alt ist?«
Sie schüttelte den Kopf. »Merlin ist immer der Name der Eule, die sich mit der Hohepriesterin anfreundet. Die Jahrhunderte hindurch hat es so viele Merline wie Hohepriesterinnen gegeben.«
»Existieren denn auch Legenden über diese Eulen?«, fragte er. War es vielleicht möglich, dass ein Vorgänger dieser Eule in Verbindung mit Arthurs menschlichem Ratgeber stand? In vielen irdischen Mythen besaß Merlin die Fähigkeit, sich entweder in einen Knaben oder einen alten Mann zu verwandeln. Aber Lucan hatte niemals von der Verwandlung in eine Eule gehört.
»Merlin ist dafür bekannt, dass er die Hohepriesterin gut beschützt.« Cael grinste und begab sich ins Innere der Höhle.
Lucan näherte sich dem Jasbit, und Merlin segelte von seinem Hochsitz herab und beobachtete ihn. Lucan kniete nieder, holte einen winzigen Laser aus dem Absatz seines Stiefels und stellte ihn ein. Der Laser summte erst und sandte dann einen Strahl aus, der stark genug war, um das Tier aufzuschneiden. Schon bald hatte er die Eingeweide des Jasbits für die Aasfresser auf einen niedriger gelegenen Vorsprung geworfen und das Innere des Kadavers mit Schnee ausgewaschen. Er schnitt ein großes Stück Fleisch ab und legte es beiseite. »Das ist für dich, Merlin.«
Die Eule stürzte sich auf ihr Mahl.
Merlin. Lucan sollte nicht überrascht sein, eine weitere Verbindung zu König Arthur und dem Heiligen Gral gefunden zu haben. Aber er war es trotzdem. Pendragon und Cael verblüfften ihn immer wieder aufs Neue.
Vor allem Cael. Was er über sie erfahren hatte, faszinierte ihn. Aber er durfte nicht vergessen, dass seine Mission
Vorrang hatte. Nun, da er geheilt war, musste er nach Avalon zurückkehren, die Suche nach dem Gral wieder aufnehmen und den heilsmächtigen Kelch finden.
Sobald er ihn gefunden hatte, musste er sich auf den Heimweg machen.
Nachdem Cael in Hausschuhe und Robe geschlüpft war, gesellte sie sich zu Lucan, setzte sich vor das Feuer und versuchte zwanglos zu wirken. Sie hatten seit ihrer Drachenwandlung und der verwirrenden Erkenntnis, dass sie ein geistiges Band besaßen, erst wenige Worte gewechselt.
Ihre empathischen Fähigkeiten verrieten ihr, dass Lucan keine Angst vor ihr empfand, obwohl er sie in Drachengestalt gesehen hatte. Aber sie wusste noch nicht, was er davon hielt. Was er von ihr hielt.
Neugierig beobachtete sie, wie sich Lucan mit nachdenklicher Miene über das Fleisch beugte. Gewiss war ihm klar, dass sie ihn mit einem einzigen flammenden Atemzug töten konnte. Dass sie ihn mit einem einzigen Schlag ihrer mächtigen Flügel von der Bergspitze zu schleudern vermochte. Doch er war ein Mann voller Überraschungen. Wer hätte denn auch gedacht, dass ein Sprachwissenschaftler Wild zu säubern, aufzuspießen und zu braten verstünde?
Oder dass er überhaupt kochen konnte? Er begoss das Fleisch mit einer süßen Soße, die er aus einigen Zutaten in ihren eigenen Vorräten hergestellt hatte. »Ich habe noch nie etwas so Verführerisches gerochen.«
Sein Blick wurde heller. »Du musst schon halb verhungert sein.«
»Wer hat dir das Kochen beigebracht?«
»Meine Eltern.« Lucan legte weitere Kohlen auf das
Feuer. »Als wir jung waren, haben sie uns zum Zelten mitgenommen. Vater hat meiner Schwester und mir das Jagen und Mutter hat uns das Kochen beigebracht.«
Anerkennend atmete Cael den Duft ein. »Darüber bin ich sehr froh.«
Lucans neugieriger Blick war auf ihre Handgelenke gerichtet. Instinktiv wollte sie die Ärmel der Robe herunterziehen und die Zeichen verdecken, die den anderen Menschen so unangenehm waren. Doch Lucan hatte all ihre Male gesehen. Und er war nicht vor ihnen zurückgeschreckt. Er war sogar mit der Zunge über ihren ganzen Körper gefahren und hatte vor allem die Teile liebkost, die sie so anders erscheinen ließen, und ihr damit ein unvorstellbares Vergnügen bereitet...
Er ergriff ihre Hände, drehte die Handflächen nach oben und betrachtete die Schuppen. »Bist du damit geboren worden?«
»Ja.«
»Und wie sieht dein Glaube an die Göttin aus?«
»Ich glaube, dass sie allen Dingen Leben spendet. Dass wir sie ehren, indem wir die Welt des Feuers, der Flut, der Erde und des Wassers ehren. Dass wir nach dem Tod als niedere Lebensform zurückkehren werden, wenn wir nicht nach ihren Richtlinien
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